CDU-Politikerin über 30 Jahre Einheit: „Das Beste war die Spülmaschine“

Sabine Bergmann-Pohl war letztes DDR-Staatsoberhaupt. Ein Gespräch über die Einheit, ostdeutsche Erfahrungen in der Politik und fehlenden Respekt.

Sabine Bergmann-Pohl sitzt auf einem Sessel und spricht

Das letzte Staatsoberhaupt der DDR: Sabine Bergmann-Pohl Foto: Wolfgang Borrs

taz am wochenende: Frau Bergmann-Pohl, Sie tragen einen Doppelnamen, was in der DDR ungewöhnlich war.

Sabine Bergmann-Pohl: Stimmt, Doppelnamen trugen in der DDR eher Prominente. Ich war in erster Ehe mit einem Herrn Pohl verheiratet, meine Kinder hießen ebenfalls Pohl. Im Januar 1990 wollte ich meinen jetzigen Mann heiraten; in der DDR gab es aber schon mehrere Lungenspezialisten, die Bergmann hießen. Um nicht verwechselt zu werden und um den Kindern den Namenswechsel zu ersparen, habe ich beim Standesamt den Doppelnamen beantragt. Es hat funktioniert. Aber gar nicht lange später, als ich als Volkskammerpräsidentin ein paar hundert Abgeordnetenausweise zu unterschreiben hatte, habe ich mächtig geflucht.

Sie entstammen einer Mediziner­familie. Waren Sie das, was man heute widerständig nennt?

Ich glaube nicht. Ich war so angepasst wie viele andere auch. Aber im Rahmen meiner Möglichkeiten, etwa als Ärztin, habe ich durchaus Widerstand geleistet. Ich nenne das immer äußere Anpassung und innere Emigration.

Worin drückte sich das aus?

Nehmen Sie meine Konfirmation 1960. Damals hat mein Direktor mir und anderen Konfirmanden gedroht, ohne Jugendweihe kämen wir nicht an die Oberschule. Das haben wir dann mit unserem Pfarrer besprochen. Und der sagte: Mädels, versaut euch nicht eure Zukunft. Macht die Jugendweihe, ich konfirmiere euch ein Jahr später.

Im Jahr 1981 sind Sie in die Ost-CDU eingetreten, über die Sie selbst einmal gesagt haben, sie sei der Steigbügelhalter der SED gewesen. Fällt das auch unter Anpassung?

Das war eine Vernunftentscheidung. Ich war 35 Jahre alt, arbeitete als Ärztin und mir machte mein Job unheimlichen Spaß. Es war klar, dass die SED mich nicht in Ruhe lassen würde, die wollten mich vorzeigen können. Also bin ich in die einzige christliche Blockpartei eingetreten, dann war Ruhe.

Mittlerweile sind Sie fast vierzig Jahre in Ihrer Partei. Ist so was wie Liebe daraus geworden?

Ich sag mal so: Die Ost-CDU war sicher keine Liebe. Und als ich per Zufall in die Politik kam, wurde sie meine politische Heimat. Aber das heißt nicht, dass ich mit allem einverstanden war und bin.

Was meinen Sie?

Zum Beispiel den Start von uns Ost-CDUlerinnen im gesamtdeutschen Bundestag 1990. Wir wurden angegriffen, weil wir berufstätige Frauen waren, weil wir unsere Kinder in Krippe und Kindergarten betreuen ließen. Die Sicht auf uns war, dass wir als Frauen und als Mütter im politischen Raum nichts zu suchen hätten. Aber das hat natürlich auch dafür gesorgt, dass ich gelernt habe, meine Meinung durchzusetzen.

An welchem Punkt sehen Sie Ihre Partei heute?

Was die Emanzipation der Frauen, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf betrifft, hat sich sehr viel getan in den letzten dreißig Jahren. Die Frauenquote, über die der Parteitag im Dezember abstimmen wird, finde ich fällig. Aber bei vielen Themen, die heute diskutiert werden, sage ich gern: Da hätten Sie uns schon vor dreißig Jahren mal fragen können.

Und insgesamt?

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Auf der einen Seite hat Angela Merkel der Partei sehr, sehr gut getan. Allerdings innerparteilich wünsche ich mir manchmal, dass unsere konservativen Werte mehr Gewicht hätten. Alle wollen in die Mitte: die Grünen, die SPD, die CDU auch. Und was ist das Ende vom Lied? Wir haben die AfD.

Was müsste sich ändern?

Man muss politisch unterscheidbar bleiben. Als zum Beispiel Friedrich Merz im Jahr 2000 eine deutsche Leitkultur forderte, fielen alle über ihn her. Aber ich denke immer noch, man muss als Partei das Lebensgefühl der Menschen widerspiegeln. Im Fall der CDU sind das konservative Werte: Familie, Arbeit, Sicherheit. Ich sehe nicht, was falsch daran sein soll.

Höre ich da eine Präferenz für Friedrich Merz als neuen Parteivorsitzenden heraus?

Sagen wir mal so: Ich würde es mir wünschen, weil er stärker polarisieren könnte und fällige Diskussionen führen kann. Ich kenne ihn aus seiner Zeit als Fraktionsvorsitzender, er ist hochintelligent und ein guter Redner. Im Moment traut sich doch keiner zu sagen, was er denkt, um nicht in eine Ecke gedrängt zu werden. Die Ehrlichkeit in der politischen Diskussion lässt zu wünschen übrig.

Merz wird als die Überwindung des Prinzips Merkel verstanden. Wenn sie im Herbst 2021 das Kanzleramt räumt – was werden wir vermissen, wovon wir heute vielleicht noch nichts ahnen?

Wenn Sie auf die Ostdeutschen anspielen, muss ich sagen, dass unsere Probleme in den letzten dreißig Jahren immer vernachlässigt wurden. Die enorme Veränderung, die die Menschen nach 1990 durchstehen mussten, ist nicht gewürdigt worden, sie werden nicht gewürdigt. Auch nicht von Angela Merkel. Sie sieht sich als Bundeskanzlerin aller Deutschen, das ist ja auch in Ordnung. Aber ich hätte mir gewünscht, dass sie sich zur Fürsprecherin von uns Ostdeutschen macht.

Sie hat immer darauf bestanden, die Kanzlerin aller Deutschen zu sein. Warum sollten die Ostdeutschen denn eigentlich noch Extraanerkennung brauchen?

Es ist ja nicht so, dass es den Leuten schlecht geht. Aber diese enormen Veränderungen, die über die Ostdeutschen binnen kürzester Zeit hereingebrochen sind, hätten mehr Aufmerksamkeit und Respekt verdient. Der Veränderungswille war enorm, viele haben es geschafft. Aber wenn es um die heutigen Probleme geht, möchten die Leute bei Ihrer Geschichte abgeholt werden. Sie haben ja dieses Interview auch mit einer Unterstellung angefangen – ich hätte mich in der DDR angepasst. Das würde bedeuten, Anpassung habe es im Westen nicht gegeben. Aber auch dort sind viele Menschen in bestimmte Parteien eingetreten, weil es ihnen genützt hat. Warum denn auch nicht?

Um den CDU-Vorsitz bewerben sich jetzt drei Männer, es fehlt sichtbar an Frauen. Möglicherweise beschließt der Parteitag eine verbindliche 50-Prozent-Quote ab 2025. Haben Sie einen Rat an die jungen Frauen in Ihrer Partei?

Wer als Frau in die Politik geht, braucht ein dickes Fell, ein Stahlkorsett geradezu. Das ist meine Erfahrung. Gerade Frauen werden gerne kritisch bewertet; bei Männern wird eher über Fehler hinweggegangen. Da spielt es dann auch gar nicht mehr so eine Rolle, ob die das können. Es gibt Politiker ohne Berufsabschluss, da frage ich mich schon, woher die ihr Selbstvertrauen genommen haben. Eine Frau ohne Abschluss würde von Anfang an unter Inkompetenzverdacht stehen und sie würde das ständig zu spüren bekommen.

Sie sind promovierte Fachärztin für Lungenkrankheiten. Bis 1990 waren Sie ärztliche Direktorin für Lungenkrankheiten und Tuberkulose für Ostberlin.

Das stimmt, im Prinzip war ich der oberste Lungenfacharzt. Das war eine Leitungsfunktion, trotzdem habe ich noch zweimal in der Woche Sprechstunden in der Poliklinik abgehalten.

Haben Sie, die Fachfrau, Corona kommen sehen?

Epidemische Entwicklungen haben wir ja einige gesehen in den zurückliegenden Jahren, auch Pandemien. Diesmal war aber das Problem, dass zu wenig Wissen über das Virus vorhanden war. Anfangs wurde die Gefahr unterschätzt, auch weil man die warnenden Stimmen in China mundtot gemacht hat. Übrigens ein typisches Merkmal einer Diktatur: In der DDR wäre das ebenfalls unter der Decke gehalten worden. Da gab es ja offiziell auch kein HIV.

Das war eine „kapitalistische“ Seuche.

Ja genau. Smog hörte nach dieser Logik ja auch an der Berliner Mauer auf – und bei mir in der Praxis standen die Asthmatiker Schlange. Aber zurück zu Corona. Als dann der Lockdown verhängt wurde, hatte ich Angst vor den sozialen und den wirtschaftlichen Folgen. Es ist ja unmenschlich, dass man seine kranken Angehörigen nicht besuchen kann. Vereinsamung ist etwas ganz Schlimmes. Aber im Nachhinein würde ich aus fachlicher Sicht sagen, dass erst mal alles richtig gemacht wurde. Es ist wie immer: Läuft’s gut, sagen alle, haben wir ja gleich gesagt, läuft’s schlecht, wird gefragt, warum keiner was unternommen hat.

Der Termin

Am 23. August 1990 stimmte die frei gewählte DDR-Volkskammer dem Beitritt zur BRD zu.

Die Ärztin

1946 in Eisenach geboren, durfte zuerst nicht Medizin studieren. Nach einem zweijährigen Praktikum dann doch. Sie wurde Fachärztin für Lungenkrankheiten, war später die Ärztliche Direktorin in der Bezirksstelle für Lungenkrankheiten in Ostberlin. 1981 trat sie in die CDU ein, eine der DDR-Blockparteien.

Die Politikerin

Von April bis Oktober 1990 war sie Präsidentin der Volkskammer in der DDR und – da in der Zeit die Aufgaben des Staatsrats auf die Volkskammerpräsidenten übertragen wurden – somit auch das letzte Staatsoberhaupt der DDR. In der BRD hatte sie später politisch Verantwortung als Ministerin und Staatssekretärin inne.

Was sagt es eigentlich über den Zustand unserer Gesellschaft, dass jetzt andauernd über das Tragen von Masken diskutiert werden muss.

Da fehlt die Empathie. Da fehlt der Respekt. Das meinte ich vorhin mit den Werten, die unserer Gesellschaft fehlen. Wenn jemand verunfallt und zehn Leute gehen vorbei – das ist die Folge einer saturierten Gesellschaft. Eine Maske aus Rücksicht zu tragen, das müsste doch das Mindeste sein.

Es gab einen Artikel in der Berliner Zeitung“, in dem ein ostdeutscher Sozialmediziner schrieb, in der zentralistisch gesteuerten DDR hätte man die Seuche schneller in den Griff bekommen. Es habe funktionierende staatliche Seuchenbekämpfungspläne gegeben, auch regelmäßige Pandemie-Übungen. Ist das aus Ihrer Sicht richtig?

Das ist so weit richtig, ja. Aber er vergisst, dass wir in einem abgeschotteten Staat gelebt haben, mit dichten Grenzen. Heute leben wir Gott sei Dank in einer freien Gesellschaft, in der das nicht so ist. Ich möchte ungern zurück in die Zeit vor 1989.

Wie nennen Sie eigentlich diese Zeit – Wende, Revolution, Mauerfall?

Den Begriff Wende lehne ich ab, schon weil den der letzte Staatsratsvorsitzende Egon Krenz in Umlauf gebracht hat. Es war eine Revolution. Die Leute waren eingemauert, vom Staat versorgt, sie hätten im Prinzip so weiterleben können. Aber sie sind auf die Straße gegangen, mit allen damit verbundenen Risiken. Ich glaube aber, dass viele nicht wussten, was auf sie zukommen würde.

Sie haben 1990 Wahlkampf für Kohls Allianz für Deutschland gemacht. Das war nicht gerade Widerstand.

Ich wusste damals, dass wir gewinnen würden, ich wusste es einfach. Die Leute haben Helmut Kohl zugetraut, ihre Probleme zu lösen.

Na ja, er personifizierte das Geld.

Ja, natürlich. Man kann doch den Leuten nicht vorwerfen, dass sie ein bisschen Wohlstand wollten. Vor allem aber hatten sie die Bevormundung satt, auch die Verlogenheit dieses Staates. Was draußen in der Welt passiert ist, wurde entweder geschönt oder negiert – das war doch eine Zumutung. Helmut Kohl haben sie gewählt, weil er klar für etwas stand, nämlich die deutsche Einheit.

Was ist in dieser Zeit eigentlich mit Ihnen passiert? Eben waren Sie noch Lungenfachfrau – und plötzlich standen Sie im Wahlkampf.

Ich spürte: Wenn nicht jetzt, wann dann trittst du für Veränderungen ein? Die politische und wirtschaftliche Misere war ja unübersehbar. Wir haben für unsere Patienten keine Medikamente mehr bekommen, dauernd riefen Apotheken an, weil sie nicht liefern konnten. Ich wusste: So kann das nicht weitergehen. Ich hatte Lust darauf, Politik zu machen. Aber nie, in die Politik zu gehen.

Das hat bekanntlich nicht geklappt. Sie waren dann ab März 1990 nicht nur die letzte Präsidentin der Volkskammer, sondern praktischerweise auch das letzte DDR-Staatsoberhaupt. Ist das heute mehr als eine Anekdote für Sie?

Das hat mein Leben verändert, was glauben Sie denn. Ich habe nie geglaubt, je in eine solche Position zu kommen. Wir alle, das Parlament, die Abgeordneten, haben mit großer Begeisterung Politik gemacht, die allermeisten ohne jede Vorerfahrung. Ich war eine von ihnen. In die Verantwortung zu gehen, hat uns unglaublich viel abverlangt. Ich sage heute immer: Wir haben sicher nicht alles richtig gemacht – aber sehr vieles schon.

Als in der Nacht auf den 23. August 1990 der Beschluss für die Wiedervereinigung am 3. Oktober fiel, war das ein historischer Augenblick. War Ihnen das bewusst, haben Sie die Tragweite erfasst?

Nach einer Sitzung, die von neun Uhr morgens bis zum nächsten Morgen halb vier ging, war ich vor allem erschöpft, das können Sie mir glauben. Aber da war auch dieses Gefühl, es geschafft zu haben. Das stand alles die ganze Zeit auf der Kippe. Die DSU hat einen Antrag auf sofortigen Beitritt zur Bundesrepublik gestellt, die SPD wollte schon im September, Bündnis 90 lehnte den Beitritt nach Artikel 23 komplett ab; es war fast ein Ding der Unmöglichkeit, alle Fraktionen unter einen Hut zu bringen.

Sie haben vorhin über die Politiker ohne Abschluss gesprochen. Das letzte DDR-Parlament war voller Menschen mit ungeraden Biografien. Täte das dem Bundestag heute auch ganz gut?

Da haben Sie recht, der Bundestag ist nicht der Querschnitt der Gesellschaft. Aber das war damals auch eine ganz andere Zeit. Man wollte gestalten, mitmachen. Erst nach dem 3. Oktober sind wir in Bonn in einen ritualisierten politischen Betrieb gekommen. Da war die Ansage: Das haben wir schon immer so gemacht, und ihr Ostler verhaltet euch erst mal ruhig. Schön war das nicht.

Sie sind zuerst Ministerin ohne Geschäftsbereich geworden – wohl ein Versorgungsposten, um das letzte DDR-Staatsoberhaupt nicht zu brüskieren. Sprach man da schon vom Quotenossi?

Nein. Aber das hätte schon gepasst. Ich habe damals immer gesagt: Minister für Wahlkampf, weil ich ständig im CDU-Wahlkampf unterwegs gewesen bin.

Nach der ersten gesamtdeutschen Wahl 1990 waren Sie bis 1998 Staatssekretärin im Gesundheitsministerin.

Ja, das war mir wichtig. Ich wollte unbedingt in meinem Fach arbeiten. Und ich wusste ja nicht, wie lange meine politische Karriere dauern würde.

Was hat Sie anders als manche Ostdeutsche so selbstbewusst gemacht?

Ich hatte nie Grund, mich klein zu machen. Zu DDR-Zeiten habe ich früh Karriere als Ärztin gemacht, ich hatte zwei Kinder, ein durchgetaktetes, ziemlich anstrengendes Leben. Ich sage heute gern: Das Beste an der Einheit war die Spülmaschine. Für mich war aber immer klar: Medizin ist mein Traumberuf, unter welchen Umständen auch immer. In der DDR haben 90 Prozent der Frauen gearbeitet, auch weil sie mussten, ja. Aber das hat sie natürlich emanzipiert und tut es noch heute. Als ich nach der Wiedervereinigung gehört habe, dass die CDU eine Gruppe der Frauen hat, habe ich mich gewundert: Wozu das denn? Dann wurde mir klar, dass es wichtig war, da teilzunehmen.

Eine Geschichte, die Ihnen lange anhing, war ein Shoppingtrip für 3.000 Mark nach Westberlin, in einer Zeit, in der viele Ostdeutsche ihre Jobs verloren. War das ein Fehler?

Ich hatte Freunde in Westberlin, die mir das Geld geliehen haben, um repräsentative Klamotten zu kaufen. Ich war auch beim Friseur, bei Udo Walz am Ku’damm. Vielleicht waren die Sachen zu schick, die Frisur zu modisch, kann sein. Was ich nicht wusste: Mein Presse­chef war Offizier im besonderen Einsatz der Staatssicherheit gewesen. Und der hat das an die Presse lanciert. Das Witzige ist, dass mir diese Geschichte ewig an der Backe klebte. Und ja, das war politisch motiviert. Als ich 1994 ins CDU-Präsidium gewählt werden sollte, hat die Bild-Zeitung die Geschichte einen Tag vorher noch mal rausgeholt. Ich bin dann mit einer Stimme nicht gewählt worden.

War das gegen die Ostdeutsche?

Ich hoffe nicht. Manchmal habe ich fast geheult, wenn ich abends nach Hause kam, weil ich mich über die Arroganz von Kollegen oder Beamten geärgert habe. Ich dachte: Du hast studiert, du kennst dich im Gesundheitswesen aus, und dann erklärt dir ein Beamter, der noch nie ein Krankenhaus von innen gesehen hat, wie das zu laufen hat. Ich wusste genau, das ist falsch, aber ich fühlte mich machtlos. Ich habe dann angefangen, Seilschaften zu knüpfen, ich habe mich also angepasst. So wie es alle tun.

Wie konnte es passieren, dass die deutsche Einheit 30 Jahre später als bestenfalls mäßig gelungen gilt?

Wir sind damals alle viel zu schnell zur Tagesordnung übergegangen. Vielen DDR-sozialisierten Menschen wurde eingeredet, sie hätten ein minderwertigeres Leben gelebt. Die Vorurteile waren unglaublich. Wir haben uns immer am Westen orientiert, wir haben uns interessiert – umgekehrt war da nicht viel zu spüren. Schade eigentlich. Dabei ist die Wiedervereinigung politisch hervorragend gelungen. Ich sage unseren Leuten immer: Seid doch mal ein bisschen selbstbewusster, ihr habt doch was Tolles geschafft.

Zum Schluss: Nervt Sie eigentlich dieses Ausgefrage? Vor zehn Jahren haben Sie in einem taz-Interview gesagt, nach diesem 20. Jahrestag der Wiedervereinigung würden Sie sich zu diesem Thema nicht mehr äußern. Und nun sitzen wir hier.

Mich wundert durchaus, dass wir immer wieder darüber diskutieren müssen, warum das Lebensgefühl der Deutschen immer noch in Ost und West gespalten ist.

Gibt es etwas, wonach Sie lieber mal gefragt werden würden?

Im Prinzip geht es ja immer um das Eigene. Was wir erlebt haben, ist ein Stück Zeitgeschichte. Aber irgendwann höre ich mit dem ganzen Quatsch auf. Dieses Jahr noch nicht. Aber dann!

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