Erste Hilfe für Verletzte auf Demos: „Auch wenn sie gegen uns sind“

Katharina Vater ist da, wo Tränengas und Knüppel eingesetzt werden. Als Demo-Sani agiert sie auch in Polizeikesseln als Helferin.

Eine Frau mit rosa Haaren und großer Brille lächelt in die Kamera

Katharina Vater ist im Vorstand der Demosanitäter Süd-West Foto: privat

Katharina Vater aus Waiblingen packt an, wo Menschen Erste Hilfe brauchen – unter anderem auf Demos, wo es Verletzte durch Polizeigewalt oder andere Übergriffe gibt. Seit 2016 ist sie als ehrenamtliche Demosanitäterin in der Sanitätsgruppe Süd-West aktiv. Die Gruppe war auch bei jenen Demos in Ingelheim präsent, bei denen es am vergangenen Samstag zu einem brachialen Polizeikessel kam. „Da waren Panikattacken zu sehen“, sagt die 37-Jährige am Telefon. „Mich erinnerte das sehr an das Love-Parade-Szenario, mit dem Unterschied, dass das von der Polizei bewusst herbeigeführt wurde.“

Schon während ihrer Schulzeit in Stockach am Bodensee lernte Katharina Vater, Erste Hilfe zu leisten und engagierte sich als Schulsanitäterin. Beim Malteser-Hilfsdienst machte sie eine Lehre. Dann, bei einer Gegendemonstration zur „Demo für alle“ in Stuttgart, wurde die trans Frau zur Demo-Sani. Privat sei sie damals gegen den antifeministischen, antiqueeren Aufmarsch auf die Straße gegangen. „Ich kam dann zu einer Situation, bei der die Cops in eine friedliche Sitzblockade rein sind“, erinnert sie sich. „Ein Sani musste anschließend allein 60 Patient*innen mit Pfeffersprayschäden versorgen. Da habe ich meiner Partnerin meine Handtasche in die Hand gedrückt und ihn gefragt: ‚Ich bin Einsatzsanitäterin, was kann ich tun?‘“

Heute sitzt Katharina Vater im Vorstand der Demosanitäter Süd-West. Etwa 20 Medizinstudierende, Pflegekräfte und Ret­tungs­sani­tät­e­r*in­nen sind in dem Verein aktiv und begleiten in ihrer Freizeit Demonstrationen, bei denen es Verletze geben könnte. Auch Notfallseelsorge und Krisenintervention kann die Gruppe leisten, sagt die Vorständin. Vater selbst möchte noch soziale Arbeit studieren, um auch psychosoziale Notfallversorgung leisten zu können.

Durchaus gebe es manchmal Diskussionen, welche Demos begleitet werden sollen. Dabei seien aber mehr die beschränkten Kapazitäten als inhaltliche Fragen entscheidend, sagt Vater. „Wir sind natürlich eher links ausgerichtet, aber wir helfen jedem Menschen, der Hilfe benötigt. Im Notfall auch denen, die gegen uns sind, die gegen mich als trans Frau sind.“ Mit autonomen Protest-Sanitäter*innen gäbe es darüber einen Austausch, aber auch manchmal Differenzen.

„Wir brauchen eine gemeinsame Lösung“

Ihre Arbeit sieht Vater auch im Kontext von Demosani-Gruppen weltweit. Konkret gab es schon Zusammenarbeit mit französischen Kolleg*innen.

„100 Prozent Mensch: Liebe, Recht, Respekt“ heißt das Stuttgarter Toleranz-Projekt, in dem Katharina Vater zusätzlich tätig ist. Die Motivation dafür ist die gleiche wie bei den Demo-Einsätzen. „Es hat etwas mit Menschlichkeit zu tun. Ich muss oft erleben, wie meine Partnerin, die Halbasiatin ist, diskriminiert wird. Auch bei der Klimaerwärmung und bei Fragen von atomarer Rüstung denke ich: Wir haben nur eine Welt, wir brauchen eine gemeinsame Lösung.“

Informationen aus und zu den sozialen Bewegungen finden Sie auf taz.de/bewegung

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