Kanadas neue Finanzministerin: Sie soll es richten

Premierminister Trudeau hat nach einem Skandal seinen Finanzminister verloren. Nun setzt er mit Chrystia Freeland auf eine ehemalige Journalistin.

Christya Freeland lächelt, hinter ihr steht Justin Trudeau mit Atemschutzmaske

Seit einem Jahr in Trudeaus Kabinett: Chrystia Feeland Foto: Adrian Wyld/The Canadian Press/ap/dpa

„Es wurde höchste Zeit, dass wir diese gläserne Decke durchbrechen“, sagte Chrystia Freeland auf die Frage einer Reporterin, wie man sich als erste Frau an diesem Posten denn fühle.

Chrystia Freeland ist seit einem Jahr im Kabinett von Premierminister Justin Trudeau dessen Stellvertreterin, davor war sie Außen- und Handelsministerin, nun wird sie Finanzministerin. Sollte Trudeau einmal über einen seiner notorischen Skandale stolpern, stünde sie als Nachfolgerin bereit.

Ausgeschlossen ist das nicht: Wegen eines umstrittenen Millionenauftrags seiner Regierung an eine der Trudeau-Familie nahestehende gemeinnützige Organisation waren die Umfragewerte für seine Liberale Partei zuletzt stark gesunken. Der Ethikbeauftragte des Parlaments ermittelt wegen Korruption, die Opposition fordert seinen Rücktritt. Freelands Vorgänger als Finanzminister, Bill Morneau, war ebenfalls in die Affäre verstrickt und hatte am Montag wegen Differenzen mit Trudeau seinen Hut genommen.

Nun soll Freeland es richten und für ihren angeschlagenen Chef die Kohlen aus dem Feuer holen. Der scheint zuversichtlich. „Ich kenne niemanden, der als Finanzminister besser geeignet wäre als sie“, lobte Trudeau.

Frostiger Umgang mit Trump

Freeland ist gelernte Wirtschaftsjournalistin und schrieb lange für renommierte Medien wie die Financial Times, den Wirtschaftsdienst Reuters, den Economist oder die Washington Post. In ihrem Buch „Die Superreichen“ tritt sie für mehr staatliche Kontrollen der Konzerne und Banken ein. Bei einer ihrer öffentlichen Lesungen hatte sie ihren späteren Chef Trudeau getroffen, der sie überredete, in die Politik einzusteigen. Seit 2013 vertritt die Mutter von drei Kindern einen Wahlkreis in Toronto.

Als Handelsministerin verantwortete Freeland 2015 die Verhandlungen mit der EU über den umstrittenen Freihandelsvertrag Ceta. Später als Außenministerin handelte die ehemalige Harvard- und Rhodes-Stipendiatin die Neuauflage des Freihandelsvertrags mit den USA und Mexiko aus. Glaubt man US-Medien, dann ging es zwischen Freeland und US-Präsident Donald Trump dabei ziemlich frostig zu.

Aussichten auf Trudeaus Posten

Als Vize-Regierungschefin verantwortete sie in der Coronakrise unter anderem die Schließung der Grenze zu den USA. Sie koordinierte diverse Corona-Hilfsprogramme der Regierung im Sozial- und Gesundheitsbereich. Die ökonomischen Folgen der Pandemie werden Freeland weiter in Atem halten: Millionen Kanadier haben ihren Job verloren, dieses Jahr ist mit einem historischen Defizit von 340 Milliarden Dollar zu rechnen. Anders als ihr Vorgänger befürwortet Freeland weitere staatliche Ausgabenprogramme, um die Krise abzufedern, unter anderem auch im Umwelt- und Klimabereich.

Da Trudeau seit 2019 nur noch einer Minderheitsregierung vorsteht, könnte die Opposition ihn bei der Vertrauensabstimmung stürzen, was zu Neuwahlen führen würde. Falls ­Trudeau dann nicht mehr anträte, dürfte erneut die Stunde von Chrystia Freeland schlagen.

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