Polizeieinsatz in Hamburg: Im Würgegriff der Staatsgewalt

Was darf die Polizei? Videos über eine gewaltsame Auseinandersetzung zwischen acht Polizisten und einem Jugendlichen führen zu aufgeregter Debatte.

Vier Polizisten umringen Jugendlichen

Da blieb ihm die Luft weg: Jugendlicher im Würgegriff der Polizei Foto: Screenshot: Facebook

HAMBURG taz | Er bekomme keine Luft mehr, röchelt der 15-Jährige, während ihm die Beamt*innen den Hals zudrücken und ihn dann mit vereinten Kräften zu Boden bringen. Die Szene spielt sich vor einer Hauswand ab, auf der ein Spruch aus der Spraydose steht, der das Geschehen zu untertiteln scheint. „Please, I can´t breathe“ – „Bitte, ich kann nicht atmen“, steht da geschrieben.

Polizeigewalt oder nicht? Verhältnismäßig oder ungerechtfertigt? Die Auseinandersetzung, die sich am Montagmittag am Kohlhöfen in der Neustadt zutrug und die mehrere Passant*innen per Handykamera dokumentierten, löste eine heftige Debatte aus. Die Videos sind auf Youtube, Twitter und Facebook abrufbar. Auf ihnen ist zu sehen, wie ein Jugendlicher erst von vier, später von acht Polizeibeamt*innen eingekreist und nach einer Schubserei in Gewahrsam genommen wird.

Laut Polizei hatte der Jugendliche mehrfach mit einem Elektroroller den Gehweg benutzt – eine Ordnungswidrigkeit. Der Einsatz „einfacher körperlicher Gewalt“ gegen den Jugendlichen sei dann erforderlich gewesen, um eine Personalienfeststellung durchzusetzen. „Dem Jugendlichen wurde dabei mehrfach angedroht, dass gegen ihn Pfefferspray eingesetzt wird, was auch geschah“, heißt es in der polizeilichen Erklärung.

Die Polizei habe den Auftrag, Ordnungswidrigkeiten zu verfolgen. Bei unkooperativem Verhalten könne es notwendig sein, „einen Widerstand mit körperlicher Gewalt zu brechen“, heißt es weiter. Trotzdem werde „das Einschreiten der Polizeibeamten vom Dezernat Interne Ermittlungen überprüft“, teilt die Polizei mit. Gegen den 15-Jährigen sei ein Strafverfahren wegen Widerstands eingeleitet worden.

Die Gewerkschaft kann keine Polizeigewalt erkennen

Die Zeug*innen, die sich zu diesem Vorfall öffentlich geäußert haben, beschreiben den Polizeieinsatz als übergriffig. „Er hat einen Schlag auf den Kopf bekommen, nur weil er sich nicht ausweisen konnte“, berichtet ein Passant. Das sei geschehen, bevor die Handykameras gezückt wurden.

Eines der Videos, die den Vorfall dokumentieren, wurde auf Facebook innerhalb von 24 Stunden mehr als 12.000 Mal geteilt und von 10.000 Personen kommentiert. Die Spannweite der sachlicheren Kommentare reicht von „Wer sich der polizeilichen Anweisung widersetzt, muss damit rechnen, dass er hart angegangen wird“ bis hin zu „Mit dieser Polizei kann ich mich nicht mehr identifizieren. Man sieht genau, dass der Junge unter 18 ist und einfach Panik hat.“

Emotional reagierte auch die Hamburger Gewerkschaft der Polizei (GdP). „Sogenannte Polizeigewalt vermögen wir hier nicht zu erkennen“, heißt es in einer Stellungnahme. In der Debatte über den Vorfall sieht die Gewerkschaft „Tendenzen, die zu einer Schwächung des Rechtsstaats führen können.“ Auch gegen die Verbreitung der Videos spricht sich die GdP vehement aus: „Kein Polizeibeamter muss es hinnehmen, dass sein Bildnis ohne seine Einwilligung gegenüber einem Millionenpublikum verbreitet wird.“ Während des Vorfalls hatte eine Beamtin vergeblich versucht, die Filmaufnahmen zu verhindern.

Ganz anders sieht das der innenpolitische Sprecher der Linken in der Bürgerschaft, Deniz Celik. Er spricht von „roher, unverhältnismäßiger Gewalt“, die „Konsequenzen haben“ müsse. Solche Vorfälle bestärkten die Linke in ihrer Forderung nach einer unabhängige Beschwerdestelle für Opfer von Polizeigewalt. Eine solche Stelle fordert auch die Grünen-Abgeordnete Jennifer Jasberg, die aber beklagt, die Debatte über solche Videos habe „das Potenzial, die Gesellschaft in ihrer Haltung gegenüber dem Rechtsstaat zu spalten“. Der SPD-Innenpolitiker Sören Schumacher hingegen verteidigt die Polizei, für die es bei Widerstandshandlungen „möglich sein“ müsse, „unmittelbaren Zwang anzuwenden“.

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