Söder und die K-Frage: Der Märchenkanzler im Butterfass

Markus Söder wandelt auf Ludwigs II. Spuren. Doch was peinlich wirkt, ist wohl kalkuliert. Dem Kanzleramt bringt ihn das aber noch nicht näher.

Merkel und Söder in einem langen Saal mit Kronleuchtern und goldenem Schnickschnack

Dick aufgetragen: Söder und Merkel in der Spiegelgalerie des Neuen Schlosses am Herrenchiemsee Foto: Peter Kneffel/Pool via Reuters

Jedem anderen wäre es wohl zu peinlich gewesen, eine Spur zu dick aufgetragen. Zu stark die Analogien zum größenwahnsinnigen Märchenkönig, zu kitschig die Bilder, zu bissig der zu erwartende Spott. Aber einen Markus Söder ficht das nicht an. Was offiziell der Besuch Merkels bei einer Sitzung des bayerischen Kabinetts ist, mutiert unter seiner Regie zu einem romantischen Inseltrip mit gemeinsamer Kutschfahrt und finalem Höhepunkt im prunkvoll-angeberischen Spiegelsaal des Schlosses.

So amüsant auch der Kontrast zwischen diesem Spektakel und Merkels routinierter und offen zur Schau getragenen Unbeeindruckbarkeit ist, so bleibt doch ein Faszinosum: Mit wie viel Chuzpe Söder die scheinbaren Grenzen des Erlaubten auch strapaziert, am Ende weicht das Kopfschütteln der Zeugen dieses Kunststücks dann doch dem Respekt: Was der sich traut! Klar, auch Spott gibt es reichlich, aber den lässt der CSU-Chef gekonnt an sich abperlen. Es ist eben ein Unterschied, ob einer in ein Fettnäpfchen tritt und sich peinlich berührt umblickt oder ob einer sich dreist ins Butterfass setzt und lacht. Markus Söder hat sich über die Jahre eine Mischung aus Narrenfreiheit und Souveränität erarbeitet, die ihm vieles erlaubt, was sich keiner sonst leisten könnte.

Was bedeutet das nun für die eventuellen Kanzlerambitionen des bayerischen Ministerpräsidenten? Erstmal rein gar nichts! Ein Inseltörn an Kanzlerinnenseite bringt Söder dem Kanzleramt noch keinen Zentimeter näher. Ob er Kanzler darf und will, das hängt noch von sehr vielen Unwägbarkeiten ab. (Dass er es kann, steht für ihn selbst ohnehin außer Frage.) Zu diesen Unwägbarkeiten gehören allen voran der Ausgang des Rennens um den CDU-Vorsitz und der weitere Verlauf der Corona-Krise.

Und wenn die Sache mit der Kanzlerkandidatur dann doch irgendwann spruchreif wird, dann hat Söder schon mal den nötigen Bilderteppich ausgerollt. Söder kennt die Macht der Bilder, überlässt hier nichts dem Zufall. Auf die Fotos aus Herrenchiemsee wird so mancher Bildredakteur in den kommenden Monaten noch zurückgreifen – Bilder, die zeigen, in welcher Liga Söder spielt.

Und wenn nicht? Wenn sich diese K-Sache doch recht bald wieder zerschlägt? Dann bleibt die Erinnerung an einen herrlichen Julitag am Chiemsee, an dem Markus Söder schon einmal ein bisschen Märchenkanzler spielen durfte.

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Jahrgang 1971. Seit 2015 Bayernkorrespondent der taz. Davor unter anderem zehn Jahre Redakteur und Ressortleiter bei "Spiegel Online", seit 2009 frei. Mitglied des Journalistennetzwerks beschreiber.de.

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