Interessen bei Hilfe für Beirut: Wichtig ist, was den Menschen hilft

Angebote aus Israel, den Menschen in Beirut zu helfen, wurden abgelehnt. Beide Länder sind im Krieg miteinander. Doch an Hilfen mangelt es nicht.

Eine Frau spricht aufgergt mit Soldaten, sie trägt einen Verband am Kopf

Beiruts Stadtviertel Achrafieh, das durch die Explosionen am 5. August schwer beschädigt wurde Foto: Marwan Naamani/dpa

Nach der Explosion im Hafen von Beirut hat Israel dem Libanon medizinische Hilfslieferungen zugesagt. Eine erstaunliche Geste, die beiden Länder befinden sich offiziell im Kriegszustand.

2006 kamen im Krieg zwischen israelischen Streitkräften und der libanesischen schiitischen Hisbollah mehr als 1.400 Menschen ums Leben. Selbst die ganz Jungen wissen noch, wie sie sich unter Tischen vor Luftangriffen schützen mussten. Die Erinnerungen wurde nicht durch friedensstiftende Maßnahmen aufgearbeitet.

Daher ist das Ziel der Hisbollah, „Widerstand“ gegen Israel zu leisten, nicht nur ein propagandistischer Slogan der proiranischen, ­schiitischen Miliz. Widerstand, vor allem gegen die Siedlungspolitik, ist ein Anliegen, das in weiten Teilen der ­Bevölkerung vielfach Zuspruch genießt.

Hinzu kommt, dass die Regierung im Libanon hauptsächlich von der Hisbollah und ihren Verbündeten erwählt wurde, nachdem die Regierung unter ihrem Opponenten Saad Hariri nach Massendemonstrationen im Oktober 2019 zurückgetreten ist. Für die Regierung wäre die Annahme von Hilfe aus Israel nicht nur ein Gesichtsverlust, sondern politischer Selbstmord. Sie würde das Narrativ der Parteien zerstören, das ihre Existenz im Libanon und finanzielle Einnahmen aus dem Iran sichert: den Staat Israel als Feind zu malen.

Festnahmen: Zwei Tage nach der Katastrophe von Beirut sind 16 Hafenmitarbeiter der libanesischen Küstenstadt festgenommen worden. Das teilte der amtierende Militärrichter Fadi Akiki nach einem Bericht der staatlichen libanesischen Nachrichtenagentur NNA am Donnerstagabend mit. Mehr als 18 Menschen seien befragt worden, darunter Mitglieder des Hafenvorstands und der Zollverwaltung. Die Zahl der Toten stieg derweil laut Gesundheitsministerium auf 149.

Proteste: Regierungskritische Demonstranten machten ihrem Unmut in der Nacht zum Freitag Luft. Mehrere Menschen wurden bei Zusammenstößen mit Sicherheitskräften verletzt, wie die staatliche Nachrichtenagentur NNA berichtete. Dutzende hätten versucht, die Absperrung zum Parlamentsgebäude in der libanesischen Hauptstadt zu durchbrechen. Die Demonstranten setzten dort Werbetafeln, Bretter und Müllhaufen in Brand und warfen mit Steinen auf Sicherheitskräfte. Diese setzten teilweise Tränengas ein. (dpa)

Das Angebot Israels wiederum kann kaum als Annäherung gesehen werden. Schafft es wirklich Frieden, Verletzte zu behandeln, Geld oder Medizin zu schicken? Um die verhärteten Fronten zu klären, braucht es eher eine gemeinsame diplomatische Ebene. Und erst am 27. Juli war es an der Grenze zwischen den Ländern zu Gefechten gekommen.

Doch es stimmt, der Libanon braucht Hilfe. Bereits vor der Coronapandemie und der Explosion kämpfte die Bevölkerung mit der Wirtschaftskrise: Der Staat ist bankrott, die Inflation ist hoch. Dabei ist der Libanon kein armes Land, der Reichtum ist nur ungleich verteilt.

Die Situation zeigt, wie sehr das kleine Land in die globale Geopolitik eingebunden ist. So eilen vor allem die politischen Verbündeten herbei und bieten Hilfen an: aus den Golfstaaten, die der Miliardärs- und ehemaligen Ministerpräsidentenfamilie Hariri nahestehen, sowie aus dem Iran, dessen verlängerter Arm die Hisbollah im Libanon ist.

Einen Mangel an Angeboten gibt es also nicht. Bleibt zu hoffen, dass sich die Elite bei den Hilfen und ihrer Verteilung nicht von geopolitischen Interessen leiten lassen, sondern von den Bedürfnissen der Menschen.

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Auslandskorrespondentin für Westasien mit Sitz in Beirut. Hat 2013/14 bei der taz volontiert, Journalismus sowie Geschichte und Soziologie des Vorderen Orients studiert. Sie berichtet aus dem Libanon, Syrien, Iran und Irak, vor allem über Kultur und Gesellschaft, Gender und Fragen der sozialen Gerechtigkeit. Für das taz Wasserprojekt recherchiert sie im Libanon, Jordanien und Ägypten zu Entwicklungsgeldern.

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