Horrorfilm „Der Unsichtbare“ auf DVD: Der Freund mit den tausend Augen

Das Remake des Horrorklassikers „Der Unsichtbare“ mit Elizabeth Moss wird zur feministischen Ermächtigung. Jetzt ist es auf DVD erschienen.

Frau unter der Dusche, mit Handabdruck an der Scheibe

Cecilia (Elizabeth Moss) fühlt sich beobachtet Foto: Universal

In der Welt des Kinos gehen Superhelden seit einigen Jahren erfolgreich in Serie. Das „Marvel Cinematic Universe“ mit seinen Filmen von den „Avengers“ über „Iron Man“ bis zum noch nicht gestarteten „Black Widow“ gehört bisher zur größten Blockbusterfabrik dieser Art. Doch ist es nicht das einzige Universum da draußen. Die Universal Studios etwa planen mit der Reihe „Dark Universe“ eine Neuauflage ihrer Horrorklassiker. Zum Auftakt gab es 2017 „Die Mumie“ mit Tom Cruise, allerdings ohne den gewünschten Erfolg. Danach wurde es erst einmal still um das Vorhaben.

Nach drei Jahren Pause geht es unter etwas geänderten Vorzeichen weiter. „Der Unsichtbare“ setzt die Reihe fort in der Regie von Leigh Whannell, der zugleich das Drehbuch schrieb. Mit Elizabeth Moss als Hauptdarstellerin; das Ganze weniger bombastlastig, weniger offensiv als Blockbuster konzipiert und mit einer sehr freien Variation der Originalvorlage. Die stammte vom Engländer James Whale, seines Zeichens auch verantwortlich für „Frankenstein“ (1931). Mit „Der Unsichtbare“ von 1933 hatte Whale beeindruckende Spezialeffekte aufgeboten, bei denen man dem am Kopf bandagierten „invisible man“ Adrian Griffin, gespielt von Claude Rains, zusehen konnte, wie er nach und nach seine Hüllen fallen lässt und schließlich vollständig den Blicken entzogen ist.

Whales „Unsichtbarer“, seinerseits eine freie Adaption einer Erzählung von H. G. Wells, hatte damit einige Schockwerte zu bieten, bei denen der Schrecken vor allem durch das optische Herausstellen von Leere zustande kam. Wo man einen Körper zu sehen vermutet hätte, ist einfach – nichts. Allein die clownesk sonore Stimme von Claude Rains oder herumfliegende Gegenstände, nebst sich wie von selbst öffnenden Fenstern und Türen, künden von der Gegenwart des unsichtbaren Adrian Griffin – was Whale zu einigen finster komischen Szenen inspirierte.

„Der Unsichtbare“. Regie: Leigh Whannell. Mit Elizabeth Moss, Aldis Hodge u. a. USA/Australien 2020, 125 Min.

Beim Australier Leigh Whannell nun ist von der Komik der Vorlage nicht viel geblieben. Auch die Inszenierung der Titelfigur folgt anderen Vorgaben. Zwar bewegen sich erneut Objekte wie Messer und Türen scheinbar autonom, doch spricht dieser Unsichtbare fast nie. Man sieht ihn auch nicht, wie er im Fallenlassen seiner Textilien verschwindet. Dieser Adrian Griffin hat, anders als bei Wells und Whale, keine Chemieexperimente an sich vorgenommen, er ist vielmehr ein erfolgreicher Unternehmer, entwickelt Optiktechnologie. Zu seinen Erfindungen gehört ein Hilfsmittel, das ihn den Blicken anderer entzieht, solange er sich dessen bedient.

Die Machtspiele nehmen kein Ende

Dieser Adrian Griffin, gespielt vom englischen Schauspieler Oliver Jackson-Cohen, ist der ehemalige Freund von Cecilia (Elizabeth Moss). Zu Beginn des Films flieht diese aus seiner mit diversen Überwachungskameras ausgestatteten steril-modernistischen Villa. Was Griffin nicht lange verborgen bleibt. Cecilia gelingt es im letzten Augenblick, sich von ihrer Schwester Emily (Harriet Dyer) mit einem Wagen in Sicherheit bringen zu lassen, zu Emilys Ex-Freund, dem Polizisten James (Aldis ­Hodge).

Wenig später erreicht Cecilia die Nachricht, Griffin habe sich umgebracht. Trotzdem beginnt sich Cecilia beobachtet zu fühlen, wenn sie meint, allein in James’ Haus zu sein. Dass es dabei längst allgegenwärtige Formen der unsichtbaren Machtausübung gibt, bei denen man einer Tarnkappe für den eigenen Leib strenggenommen gar nicht bedürfte, unterstreicht Whannell durch den gezielten Einsatz von Alltagstechnologien. So erhält Cecilias Schwester von dieser eine beleidigende E-Mail, die Cecilia allerdings gar nicht geschrieben hat. Auch Cecilias Smartphone wird zum Gegenstand von Terror.

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Schon in ihrer Beziehung hatte Griffin ständig Cecilia kontrolliert, sie mit allen Mitteln manipuliert und dadurch fast in den Wahnsinn getrieben, wie man im Lauf der Handlung erfährt und was Elizabeth Moss brillant verkörpert. Cecilia begreift aber sehr rasch, dass Griffin auch nach der gewaltsamen Trennung nicht mit seinen Machtspielen aufhören wird. Bloß dass ihr niemand glaubt, dass er noch lebt. Als sich dann vermehrt mysteriöse Mordfällen ereignen, fällt der Verdacht zunächst auf Cecilia.

Der am Kopf bandagierte Patient

Whannells schönster Einfall ist, dass man den Unsichtbaren lediglich in den Momenten sieht, in denen seine Tarnung defekt ist oder er mit Substanzen „markiert“ wird. Ein ausgekippter Eimer Wandmalfarbe etwa lässt die Konturen eines Kopfes in Teilen erkennen, was zu den stärksten Effekten des Films gehört. Und in einer spektakulär dynamisch gefilmten Szene sieht man Cecilia, wie sie kreuz und quer über den Boden gezerrt, hochgerissen, an die Wand geworfen wird und sogar über einen Tisch „fliegt“. Selbst an die Ästhetik von James Whales Vorbild erinnert Whannell in einer Szene, in der Cecilia in einem Krankenhaus sitzt und auf eine Liege vor sich starrt. Ihr Blick fällt auf einen am gesamten Kopf bandagierten Patienten.

Zur feministischen Wende kommt es, als Cecilia dem Geheimnis von Griffins Unsichtbarkeit auf die Spur kommt und dieses für ihre Zwecke nutzt. Moralisch gesehen läuft diese Ermächtigung auf Rache nach antikem Talionsprinzip (Auge um Auge) hinaus. Als Schlusspointe ist sie gleichwohl ziemlich gelungen.

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