Bevölkerungsprognose für Afrika: Was der Globale Norden unterschätzt

In vielen afrikanischen Ländern wird die Bevölkerung weiter wachsen, sagen Prognosen. Für eine bessere Familienplanung brauchen Frauen mehr Autonomie.

Eine Frau betrachtet sich in einem Spiegel.

Auf die Frauen kommt es an: Auf einem Markt in Abidjan in der Elfenbeinküste Foto: Mahmut Serdar Alakus/Anadolu Agency/getty images

Anders als in den übrigen Teilen der Welt wird die Bevölkerung in Afrika auch weiter wachsen – das haben Bevölkerungsforscher der Universität Seattle im Fachmagazin The Lancet prognostiziert. Mit der Rechnung, mehr Verhütungsmittel anzubieten und in Bildung für Mädchen und Frauen zu investieren, macht es sich der Globale Norden allerdings zu einfach. Die Realität ist komplexer.

Was Familienplanung vor allem im ländlichen Raum extrem erschwert, ist die schlechte Gesundheitsinfrastruktur. Wenn es schon ein riesiger Zeit- und Kostenaufwand ist, bei Krankheit eine Klinik aufzusuchen, nimmt das keine Frau auf sich, um regelmäßig die Antibabypille zu kaufen. Um das zu ändern, muss in eine flächendeckende Versorgung und mobile Beratungssysteme investiert werden.

Bildung für Mädchen und Frauen ist seit Jahren ein Thema, was die Geburtenraten bisher jedoch nicht gesenkt hat. Zu mehr Selbst- und Mitbestimmung führt sie schließlich häufig erst dann, wenn damit wirtschaftlicher Erfolg und Autonomie vom Partner verbunden sind. Umso wichtiger sind deshalb unkomplizierte Kleinkredite, für die keine oder wenige Sicherheiten gefordert werden, sowie Beratung in wirtschaftlichen Fragen.

Ohnehin werden wirtschaftliche Zwänge und Möglichkeiten in Zukunft immer mehr Einfluss haben. Auch wenn die Bevölkerung auf dem Kontinent weiter steigt, ist vielen Menschen in Großstädten wie Abuja und Abidjan längst klar, dass sie sich immer weniger Kinder leisten können. Der Wohnraum ist zu knapp, die Lebenshaltungskosten sind zu hoch.

Ignoriert wird in der Diskussion jedoch der entscheidende Faktor: Kinder sind gesellschaftlich gewollt und gewünscht. In Nigeria gelten sie mancherorts als Statussymbol, das zum gesellschaftlichen Aufstieg verhelfen kann. In Benin gilt eine Frau als Frau, wenn sie auch Mutter ist. Kleinfamilien oder die bewusste Entscheidung gegen Nachwuchs wird deshalb häufig als Kinderfeindlichkeit interpretiert und sorgt für ebenso viel Unverständnis wie umgekehrt die weiterhin hohen Kinderzahlen.

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Nach dem Abitur im Münsterland bereiste sie zum ersten Mal Südafrika und studierte anschließend in Leipzig, Helsinki und Kopenhagen Journalistik und Afrikanistik. Nach mehreren Jahren im beschaulichen Schleswig-Holstein ging sie 2010 nach Nigeria und Benin. Seitdem berichtet sie aus ganz Westafrika – besonders gerne über gesellschaftliche Entwicklungen und all das, was im weitesten Sinne mit Religion zu tun hat.

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