Die Wahrheit: Die Dynastie der Diebe

In der irischen Politik werden Parlamentsposten gern in der eigenen Familie vererbt. Und weiter kann das Plündern gehen …

Das ging schnell. Kaum war er zum Landwirtschaftsminister ernannt worden, da wurde Barry Cowen zwei Wochen später auch schon wieder gefeuert. Es war die kürzeste Amtszeit eines Ministers in der Geschichte Irlands.

Der Grund: Er ist 2016 betrunken Auto gefahren und erwischt worden, hatte das aber vor seinem Parteichef Micheál Martin verheimlicht. Darüber hinaus besaß er seit Jahrzehnten nur einen provisorischen Führerschein. Damit darf man nur unter Aufsicht fahren, was er aber ignorierte. Und trotz des Führerscheinentzugs kassierte er das volle Kilometergeld in Höhe von 7.000 Euro für die Fahrten zum Parlament.

Cowen sieht sich hingegen als Opfer. Im Polizeibericht steht, dass er getürmt sei, als er die Polizeikontrolle sah. Das stimme nicht, beteuert Cowen. Er habe lediglich gewendet. Außerdem habe die Polizei ein Verbrechen begangen, als sie den Bericht veröffentlichte.

Die Mitglieder seiner Partei Fianna Fáil sind ebenfalls empört. Sie verstehen nicht, dass man wegen solcher Kinkerlitzchen seinen Job verlieren kann. Schließlich ist man doch in der Vergangenheit mit ganz anderen Sachen durchgekommen. Fianna Fáil ist durch und durch korrupt. Das zieht sich wie ein roter Faden durch die Geschichte. Die Partei regiert das Land seit neunzig Jahren wie ein Familienunternehmen – mit kurzen Unterbrechungen durch die andere große „Familie“ Fine Gael, die genauso korrupt ist. Seit Ende Juni regiert und plündert man zum ersten Mal gemeinsam.

Barry Cowen ist der Bruder des früheren Premierministers Brian Cowen, der Irland 2008 durch seine törichte Bankengarantie in den Bankrott getrieben hatte. Der Vater der beiden, Bernard Cowen, war Minister, und der Opa Christy Cowen war im Parteivorstand, ebenso wie Vetter Ernest Cowen. Politische Posten, die zum Abgreifen ermächtigen, sind in Irland vererbbar. Rund ein Viertel der Abgeordneten stammt aus solchen Dynastien, und wer gewählt wird, stellt Familienmitglieder als Hilfskräfte im Parlament ein.

Der Laden steckt voller Gauner. Wenn Abgeordnete oder Senatoren aus dem Amt ausscheiden, rücken immerhin 20 Prozent die elektronischen Geräte, die ihnen vorübergehend zur Verfügung gestellt wurden, nicht heraus: Laptops oder Drucker, Scanner oder Tablets. Der Labour-Senator James Heffernan hatte alle vier Geräte einbehalten, als er seinen Sitz verlor, nachdem er drei Polizisten bei einem Musikfestival vermöbelt hatte. Als man ihn bat, die Geräte abzugeben, antwortete er: „Fuck off.“

Cowens Nachfolger als Landwirtschaftsminister wurde übrigens der bisherige Fraktionsführer Dara Calleary. Dessen Amt, zu dem auch das Ministerium für die Gaektachts, die irisch-sprachigen Gebiete, gehört, übernahm Jack Chambers. Er versprach, demnächst Irisch zu lernen. Wer sagt, dass man für ein Amt qualifiziert sein muss? Es reicht, wenn man Fianna Fáil angehört.

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Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net

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kari

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