Zukunft für Bremer Hachéz-Gelände: Die Schoko-Utopie

Wohnen, Kultur, Gemeinschaft: „Schokotopia“ hat Pläne fürs Hachéz-Gelände. Ob die Stadt Bremen das Grundstück kauft, ist trotz Vorkaufsrecht unklar.

Zwei Spielzeugfiguren bearbeiten Schoko-Blöcke

Im Schokoladenquartier gibt's viel zu tun Foto: Hermann & Richter/ Pixabay cc

BREMEN taz | Schokolade wird auf dem Hachéz-Gelände in der Neustadt längst nicht mehr produziert. Noch ist das Grundstück aber in Besitz des Unternehmens. Doch die Initiative „Schoko­topia“ hat Pläne für die Zeit, wenn sich das mal ändert. Sie hat sich Anfang 2019 gegründet, um die Entwicklung des Geländes mitzugestalten.

„Viele aktuelle Bauprojekte sind auf gewinnbringende Eigenheime ausgerichtet“, sagt Mitgründerin Marika Steinke. „Uns fehlen andere Formen von Wohnen: bezahlbare Mietwohnungen, genossenschaftliches Wohnen, Mietshäuser-Syndikate.“

Daneben wünschen sich Steinke und ihr Mitstreiter Borian Schuhl bezahlbaren Raum für kulturelle und soziale Initiativen und Gruppen. „Es fehlen Räume“, sagt Steinke. Ihr Chor singt zurzeit in einer Kirche, obwohl er kein Kirchenchor ist – vorher belegt den Raum eine Schwertkampfgruppe, danach gibt’s Yoga. Ein Stadtteilzen­trum, das gemeinschaftlich organisiert ist, soll her. Teilhabe ist Steinke dabei wichtig, um zu erfahren: „Ich kann Sachen auf die Beine stellen und bin nicht nur als Konsumentin wichtig.“

Die Stadt führe derzeit „intensive Gespräche“ mit Hachéz, sagt Jens Tittmann, Sprecher der Stadtentwicklungssenatorin Maike Schaefer (Grüne). Es geht um die Bausubstanz und Voraussetzungen für eine Weiternutzung. „Ein Verkauf ist aber bisher nicht vollzogen.“

Erbpacht für Nutzer*innenverein?

In der Schoko-Utopie sähe der ideale Ablauf so aus: Die Stadt kauft das Gelände und übergibt es in Erbpacht einer Gruppe, die den Raum gestalten will. Nach dem Vorbild des Mietshäuser-Syndikats könnte ein Verein für das gesamte Gelände gegründet werden, sagt Schuhl. Und für die einzelnen Häuser eigene Vereine, die mit den Nutzer*innen Einfluss auf die Entwicklung des großen Ganzen nehmen.

Auch im Neustädter Beirats-Ausschuss für ökologische Stadtentwicklung wurde Anfang des Jahres offen über die Nutzung des Geländes diskutiert. „Es war schön, viele Leute in einem Raum zu haben und die Bedürfnisse auszuloten“, sagt Bithja Menzel (Grüne), stellvertretende Ausschussvorsitzende.

Der Beirat hat der Stadt nun Ende Juni einen Beschluss mit seinen Vorstellungen für das Grundstück vorgelegt. „Wir wollten frühzeitig klar machen, was für den Stadtteil gut wäre“, so Menzel. Genossenschaftliches Wohnen, Räume für Kultur und Soziales, ein neues Stadt- und Ortsteilzentrum – viele Ideen stimmen mit denen der Schokotopia-Initiative überein.

Das Hachéz-Gelände sei das „perfekte Beispiel“, um zu zeigen, dass die Stadt Land erwerben und nach Erbbaurecht vergeben kann, sagt Steinke. Letzteres steht sogar im Koalitionsvertrag. „Das bezieht sich auf Flächen, die schon im Besitz der Stadt sind und von denen in der Vergangenheit oft welche verkauft wurden“, sagt Ralf Schumann, baupolitischer Sprecher der Linksfraktion. Wenn die Stadt tatsächlich kauft, treffe dieses Ziel natürlich auch auf das Hachéz-Gelände zu. Ob ein Kauf jedoch sinnvoll sei, hänge von den möglichen Investoren ab.

Stadt hat Vorkaufsrecht

Nachdem vor einem Jahr Gerüchte kursierten, Hachéz verhandele mit einem anderen Investor, hatte sich die Stadt im September das Vorkaufsrecht gesichert. Das heißt: Wenn sich Hachéz mit einem Investor auf einen Kaufpreis einigt, muss das Unternehmen der Stadt das Grundstück zuvor zum gleichen Preis anbieten, erklärt Tittmann. Bloß „im städtischen Haushalt ist so wenig Geld“, gibt Steinke zu bedenken, da könne man nicht sicher sein, „dass das Vorkaufsrecht gezogen wird.“

Das Ressort sieht sich inhaltlich mit Schokotopia auf einer Wellenlänge: „In der Neustadt hat sich in den vergangenen Jahren ein innovatives Milieu herausgebildet, getragen durch junge Gründer, Wirtschaft, Wissenschaft und die Kultur- und Kreativszene“, sagt Senatorin Schaefer. Eine „für die Neustadt typische“ Nutzung des Geländes sei denkbar, inklusive Wohnraum.

Schuhl und Steinke kennen diese Aussagen, fühlen sich aber derzeit von den Verhandlungen zwischen Unternehmen und Senat ausgeschlossen. „Niemand weiß, welche Gebäudeteile überhaupt erhalten werden können und welche nicht“, sagt Steinke. Oder wo Wände und Decken verlaufen, Barrierefreiheit hergestellt werden müsste.

Auch über den Bebauungsplan kann die Stadt Einfluss nehmen

Auch die Hochschule hat Wünsche bezüglich einer Nachnutzung des Geländes – welche genau, ist unklar. Keine Vertretung war beim Ausschuss-Abend im Februar dabei; Projektleiterin und Rektorin Karin Luckey ist erst im August wieder erreichbar.

Neben dem Kauf sei ein anderer Weg, Einfluss auf die Zukunft des Geländes zu nehmen, der neue Bebauungsplan, so Tittmann. In diesen seien Bedingungen für die Nutzung des Geländes einzuarbeiten. Ein künftiger Investor müsste sich an die Vorgaben halten.

Auch Stiftungen können Investoren sein. So wie die Bremer Heimstiftung, die in Osterholz die Fläche für das gerade entstehende Quartier „Ellener Hof“ ebenfalls per Erbbaurecht vergeben hat. So einen zu finden, der hinter den Ideen steht, wäre durchaus im Sinne von Schokotopia.

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