Kohlekumpel beim Klimaprotest

Hunderte Menschen protestieren trotz Corona gegen das neue Kohlekraftwerk Datteln IV

Aus Datteln Anett Selle

Das umstrittene Kraftwerk Datteln IV ist am Samstag ans Netz gegangen. Europas größtes Monoblock-Steinkohle-Kraftwerk des Betreibers Uniper befindet sich keine 500 Meter entfernt von der nächsten Wohnsiedlung. Den ganzen Tag fanden rund um das Kraftwerksgelände Demonstrationen statt.

Aktivist*innen und Anwohner*innen bezeichnen die Entscheidung, das Kraftwerk ans Netz zu nehmen, als „Verrat“. Sie verweisen auf einen Mehrausstoß von 40 Millionen Tonnen CO2, auf die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster von 2009, das den Bau für illegal erklärt hatte, und auf Klagen, die noch anhängig sind: Weil das Kraftwerk hier ursprünglich gar nicht gebaut werden durfte.

Am Tag des Netzanschlusses sind auch ehemalige Kohlekumpel und Angestellte der Stahl­industrie bei den Protesten: Mitglieder der Gewerkschaften IG BCE und IG Metall. Ausdrücklich stellen sich die anwesenden Kumpel auf die Seite der Anwohner*innen, von Fridays for Future, Ende Gelände, BUND und Greenpeace.

Günter Belka ist Mitglied der IG BCE und der Bergarbeiterbewegung „Kumpel für AUF“. 35 Jahre habe er im Bergbau gearbeitet, sagt er. Trotzdem sei er dagegen, Datteln IV ans Netz zu nehmen. „Das war ja vorher verboten.“ Doch dann habe die Landesregierung Gesetze geändert. Nach der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts hatte die damalige schwarz-gelbe Landesregierung „Klimaschutz“ aus dem Landesentwicklungsplan gestrichen sowie die Vorgabe, heimische Energieträger zu nutzen. Ursprünglich sollte Datteln IV fünf Kilometer entfernt gebaut werden. „Da haben sie sich drüber hinweggesetzt“, sagt Belka. „Und vor allen Dingen wollen die hier Blutkohle aus Kolumbien verbrennen, die mit Kinderarbeit abgebaut wird, wo kämpferische Gewerkschaftler und Umweltschützer ermordet werden – das werden wir nicht hinnehmen.“

Auch Andreas Tadysiak hat lange im Bergbau gearbeitet. „Wir reden davon, dass Windkraftanlagen zum Teil nicht ans Netz gehen, dass Solaranlagen nicht ans Netz gehen“, sagt er. Gleichzeitig würden Kraftwerke gebaut, die Menschen gefährdeten. „Datteln 4 gehört komplett dichtgemacht wegen Klimaschutz“, fordert er. „Alle Kohlekraftwerke gehören abgeschaltet.“ Dass das passiert, glaubt Tadysiak nicht. „Man muss den Protest auf die Straße bringen: Bis hin zum Streik.“ Am Ende des Tages ist das Kraftwerk Datteln 4 im regulären Betrieb. Die Proteste werden wohl weitergehen.

In der Nacht zu Samstag hatte die Polizei einem Fotografen in der Nähe des Kraftwerks einen Platzverweis erteilt, der eine Greenpeace-Projektion auf den Kühlturm fotografieren wollte. Bei den Protesten am Samstag konnten dann aber auch jene Medienvertreter, gegen die die Polizei zuvor Aufenthaltsverbote verhängt hatte, ihrer Arbeit ungestört nachgehen.

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