Wasserstoffstrategie der Regierung: Dieser Schuss muss sitzen

Die Wasserstoffstrategie der Bundesregierung ist der letzte Versuch, ein klimaneutrales Energiesystem zu errichten.

Airtschaftsminister Altmaier steht mit Mundschutz vor einem Auto mit dem aUFKLEBER

Wirtschaftsminister Altmaier droht damit, dass er beim Wasserstoff Vorreiter sein möchte Foto: John Macdougall/dpa

Erinnert sich noch jemand an „Desertec“? Vor gut zehn Jahren träumten Energiexperten davon, Europas Strom billig und grün aus den Wüsten Nordafrikas zu holen: Aus riesigen Solaranlagen dort sollte die Elektrizität viele Probleme lösen. Das Projekt versandete, weil es an Geld, politischem Willen und ernsthaftem Engagement der Wirtschaft fehlte.

Eine solche Pleite darf sich bei der Wasserstoffstrategie nicht wiederholen, die die Regierung nun vorgestellt hat. Denn sie ist der letzte Versuch, ein klimaverträgliches Energiesystem zu errichten, ehe es zu spät ist. Klimaneutralität 2050 heißt: Alles, was nicht sinnvoll über Ökostrom betrieben werden kann (Hochöfen, manche chemischen Prozesse, Flugzeuge), muss mit CO2-neutralem Wasserstoff befeuert werden. Eine solche Industrie in 20 bis 30 Jahren von fast null auf hundert hochzufahren, am besten noch weltweit, ist ein gigantisches Vorhaben, das gute Jobs, grüne Wertschöpfung und soziale Entwicklung bei uns und in den Exportstaaten bringen kann.

Das ist die Vision. In der Realität lauern allerdings viele Hürden: Zwar werden die Erneuerbaren rasant billiger. Aber noch sind Öl und Gas zu billig, noch ist der weltpolitische Einfluss der Klimakiller wie Donald Trump zu groß. Die Technik ist nicht im großen Maßstab erprobt, es fehlen die Transportwege. Umso dringlicher ist es, diese Entwicklung einer Wasserstoffwirtschaft voranzutreiben. Deutschland hat das zusammen mit China bei Wind und Photovoltaik schon einmal erfolgreich vorgemacht.

Skepsis ist angebracht

Aber die Strategie könnte sich auch als gigantisches Ablenkungsmanöver erweisen. Jedes Mal, wenn es ernst wird mit Entscheidungen zu Green Deal und Klimaneutralität – schnellerer Kohleausstieg, CO2-Grenzwerte bei Autos, schärferer Emissionshandel – wird irgendwer Kluges meinen, das könne man doch alles billiger und besser über den grünen Wasserstoff erreichen. Das Konzept wimmelt von Schlagworten der Wirtschaftslobbyisten in den Parteien, wie Innovation und Wachstum. Allerdings funktioniert es nur, wenn die Ökoenergien massiv ausgebaut werden – genau das, was Teile von Union, SPD und FDP seit langem bekämpfen.

Der Ausbau der Wasserstofftechnologie ist zu wichtig, um das gleiche Schicksal wie „Desertec“ zu erleiden. Man darf ihn nicht den Wirtschaftspolitikern überlassen. Denn Skepsis ist angebracht: Wenn Wirtschaftsminister Altmaier, dessen Partei die Erneuerbaren seit Jahren erfolgreich ausbremst, versichert, beim Wasserstoff wolle man Vorreiter wie bei den Erneuerbaren sein – dann klingt das wie eine Drohung.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Jahrgang 1965. Seine Schwerpunkte sind die Themen Klima, Energie und Umweltpolitik. Wenn die Zeit es erlaubt, beschäftigt er sich noch mit Kirche, Kindern und Konsum. Für die taz arbeitet er seit 1993, zwischendurch und frei u.a. auch für DIE ZEIT, WOZ, GEO, New Scientist. Autor einiger Bücher, Zum Beispiel „Tatort Klimawandel“ (oekom Verlag) und „Stromwende“(Westend-Verlag, mit Peter Unfried und Hannes Koch).

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.