Black-Lives-Matter-Protest in Belgien: Den König stürzen

Belgiens einstiger König Leopold II. gründete die Kongo-Kolonie als sein Privateigentum. Aktivisten wollen seine Denkmäler im ganzen Land entfernen.

Eine verschmierte Leopold II-Reiterstatue wird gereinigt

Diese Leopold-II.-Statue in Belgien braucht dringend eine Dusche Foto: Francisco Seco/ap

BRÜSSEL taz | Leopold II., König von Belgien zwischen 1865 und 1909, prägte das Gesicht Afrikas. Er errichtete die belgische Kongo-Kolonie, Vorläufer der heutigen Demokratischen Republik Kongo, als sein Privateigentum, und zu ihrer Gründung wurde 1884/85 die Berliner Afrika-Konferenz einberufen, aus der die bis heute gültigen kolonialen Grenzziehungen in Afrika hervorgingen.

10 Millionen der damals geschätzt 20 Millionen Einwohner des Kongo starben kritischen Historikern zufolge bei der kolonialen Eroberung, in der die einheimische Bevölkerung zur Zwangsarbeit in Plantagen requiriert wurde und Schwarzen, die nicht genug Kautschuk aus den Gummibäumen holten, die Hände abgeschlagen wurden. Belgien wurde reich, während der Kongo im kolonialen Terror versank.

Die globale Schockwelle „Black Lives Matter“ seit der Ermordung von George Floyd in den USA führt nun in Belgien zu einer beispiellosen Kampagne zum Schleifen der Leopold-II.-Denkmäler im Land. In Ekeren nahe Antwerpen musste ein Königsdenkmal zur Restaurierung abgebaut werden, nachdem Aktivisten es mit roter Farbe übergossen hatten, als Symbol für das vergossene Blut im Kongo, und dann anzündeten.

Vor dem berühmten prachtvollen Afrikamuseum in Tervuren außerhalb von Brüssel, wo seit der Kolonialzeit Reichtümer des Kongo ausgestellt sind, wurde eine Büste des kontroversen Monarchen rot eingefärbt und mit den Buchstaben FDP („Fils de pute“ – Hurensohn) versehen. In Gand schrieb jemand auf eine Leopold-II.-Büste „I Can't Breathe“, die berühmten letzten Worte von George Floyd. Weitere Denkmäler in Ostende, Halle und Antwerpen wurden Opfer von „Vandalismus“.

Kampf gegen falsche Ehrungen

Die Kampagne „Réparons l'Histoire“ (Reparieren wir die Geschichte) verlangt, sämtliche Leopold-II.-Denkmäler in Belgien zu entfernen. An der Universität Mons hat die kongolesischstämmige Studentin Marie-Fidèle Dusingize als Sprecherin der Studierenden afrikanischer Herkunft 2.500 Unterschriften dafür gesammelt, dass die Leopold-II.-Büste der Universität in einem Schrank verschwindet – mit Erfolg.

In kürzester Zeit unterschrieben auch in Brüssel 50.000 Menschen eine Petition an den Bürgermeister für eine Entfernung der Königsdenkmäler der belgischen Hauptstadt. Man wolle nicht die Vergangenheit, sondern „die Ehrung dieses Mannes“ ausradieren, stellen die Initiatoren in Reaktion auf Kritik an ihrer Aktion klar.

Es ist nicht die erste derartige Kampagne in Belgien, aber nie war sie so breit und sichtbar. Die Renovierung des Afrikamuseums von Tervuren 2018 hatte bereits heftigen Streit zwischen der afrikanischen Diaspora und belgischen Nachkommen kolonialer Siedler hervorgerufen. Letztere reagieren nun auch auf die Angriffe gegen die Leopold-II.-Denkmäler, die sie als Angriffe auf die Symbole ihrer eigenen Geschichte werten.

Die Verbände „Union royale belgo-africaine“ und „Mémoires du Congo“ haben eine Gegenpetition organisiert und behaupten in einem Meinungsbeitrag, den die Tageszeitung La Libre Belgique veröffentlichte, die Vorwürfe gegen Leopold II. „beruhen im Wesentlichen auf Einbildung und nicht auf der Geschichte“. Die Zahl von 10 Millionen Toten sei „Fake News“, von englischsprachigen Historikern in die Welt gesetzt.

Kolonialzeit bald im Unterricht

Leopold II. habe in Wahrheit aus Belgien die „zweite Industriemacht Europas“ gemacht, die „weit über den Kongo hinaus gestrahlt“ habe; und sich gegen ein staatliches Symbol „ohne demokratische und akademische Debatte über die historische Realität“ zu wenden, sei ein Werk der „Zerstörung der Nation“.

Stattdessen schlagen die Kolonialnostalgiker eine Untersuchungskommission über rassistische Diskriminierung in Brüssel vor. Der Stadtrat der Hauptstadt ist gespalten und hat erst mal eine Arbeitsgruppe eingesetzt.

Aber eine konkrete Auswirkung gibt es bereits: Sowohl die flämischen als auch die wallonischen Bildungsverantwortlichen im sprachlich geteilten Belgien haben am Mittwoch verkündet, dass die Kolonialzeit zukünftig Teil des Geschichtsunterrichts sein soll.

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