Berliner Senat lockert Auflagen: Badbesuch ist nicht systemrelevant

Die Landesregierung denkt daran, die Freibäder zu öffnen. Das setzt den puren Spaßfaktor über den Schutz vor Ansteckung – und ist keine gute Idee.

Noch gesperrt, bald aber möglicherweise trotz Corona geöffnet: Freibäder in Berlin Foto: dpa

Es ist der Morgen nach dem Abend, an dem der Senat bundesweite Absprachen zur Lockerung der Corona-Einschränkungen für Berlin konkretisiert hat. Radio-Nachrichten sind voll von dem, was künftig alles wieder möglich sein soll. Darunter ist eine Sache, bei der einem das Frühstück nicht so recht schmecken mag: Freibäder sollen offenbar ebenfalls öffnen können, auch wenn ein Termin noch nicht feststeht.

Es gibt nämlich außer engem Gedränge in Clubs und auf Stadiontribünen wenig Bilder, die so sehr Ansteckungsgefahr nahe legen wie die Erinnerung an die überfüllten Bäder der vergangenen Sommer. Egal ob am Eingang, am Beckenrand oder am Sprungturm – dichte Menschentrauben.

Weniger Leute rein zu lassen dürfte das Hauptargument sein, warum eine Öffnung trotzdem möglich sein soll. Also vielleicht nur 2.000 statt 5.000 oder 8.000? Und diese 2.000 reichen dann nicht, um eine 30-Leute-Traube am Sprungturm zu bilden? Oder eine ähnlich große Gruppe, die diskutiert, warum der nicht geöffnet wird? Und wer wird den restlichen 3.000 oder 6.000 draußen erklären, dass sie nicht rein dürfen? Werden die auch alle mit eineinhalb Meter Abstand anstehen?

Nicht gerade Vorreiter beim Abstandhalten

Schon in vergangenen Jahren ging es in und vor den Bädern nicht immer nur friedlich zu. Die Entscheidung des Senats, die an diesem Donnerstagnachmittag in einer weiteren Sitzung der Landesregierung konkreter werden soll, wird weitere Corona-Helden erfordern: die Bademeister und das sonstige Aufsichtspersonal, dass nun den wenig beneidenswerten Job haben wird, in immer noch großem Gewusel Abstandsregeln durchzusetzen. Und das vorrangig bei jungen Menschen, einer Altersgruppe also, die in den vergangenen Wochen nicht gerade Vorreiter beim Abstandhalten war, sich um die eigene Gesundheit offenbar weniger Gedanken machen muss, aber nicht weniger als andere Virenverbreiter ist.

Da drängen sich gleich mehrere Fragen auf: Ist das wirklich nötig? Ist das aus sozialer Sicht systemrelevant? Sorgt begrenzter Zugang nicht für mehr Ärger, als die Bäder ganz dicht zu lassen? Gehen dann nicht doch eben viele lieber in irgendeinen unbewachten See schwimmen, was die DLRG vor mehr Ertrinkungstoten warnen lässt? Und wiegt der gesellschaftliche Mehrwert wirklich ein – zugegebenermaßen laienhaft gemutmaßt – höheres Ansteckungsrisiko auf?

Dem Schutz des Lebens sei nicht alles unter zu ordnen, hat Deutschland ja vor eineinhalb Wochen von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble erfahren. Mag sein – aber eine ausgefallene Freibadsaison sollte dieses Leben wert sein.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Jahrgang 1967. Seit 2002 mit dreieinhalb Jahren Elternzeitunterbrechung bei der taz Berlin. Schwerpunkte: Abgeordnetenhaus, CDU, Grüne.

Die Coronapandemie geht um die Welt. Welche Regionen sind besonders betroffen? Wie ist die Lage in den Kliniken? Den Überblick mit Zahlen und Grafiken finden Sie hier.

▶ Alle Grafiken

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.