Tierschutz in Corona-Krise: Zu wenig Geld fürs Pferdeasyl

Eine Stiftung in Polen rettet Pferde und andere Tiere. Weil in der Coronakrise weniger Menschen spenden steht Europas größtes Pferdeasyl vor dem Aus.

Ein Pferd wiehert

In Szczedrzykowice werden Pferde und andere Tiere vor dem Schalchthof gerettet Foto: Ewa Mastyk

WARSCHAU taz | Angst sei kein guter Ratgeber, Panik erst recht nicht, sagt Ewa Mastyk. Aber sie wisse einfach nicht mehr weiter. Die resolute 38-jährige Polin rettet seit Jahren Pferde vor dem Schlachter, mithilfe der von ihr gegründeten Stiftung Centaurus. „Wir sind Europas größtes Pferdeasyl“, sagt sie am Telefon im niederschlesischen Szczedrzykowice (Spittelndorf) bei Breslau in Westpolen. „Auch Hunderte Katzen und Hunde, Esel, Lamas, Schafe und andere Tiere haben bei uns Schutz gefunden“, erzählt die 38-Jährige. Jetzt bedroht die Coronakrise alles.

Bislang finanzierten 10.000 Menschen mit monatlichen Minispenden das Heu für die derzeit 572 Pferde. Firmen als Großsponsoren übernahmen den Ankauf neuer Pferde, Opera­tio­nen oder auch den Aufenthalt in einem Pferde-Reha-Zentrum. „Durch die Covid-19-Pandemie springen unsere Unterstützer nach und nach ab“, sagt Mastyk. „Erst viele ältere Menschen, die aus Angst vor der Seuche nicht mehr zur Postbank gehen, dann die Firmen, die keinen Umsatz und erst recht keinen Gewinn mehr machen.“ So geht es nicht nur Centaurus, auch in Deutschland schlugen Zoos und private Wildtiergehege Alarm. Mitte April forderte der Verband der Zoologischen Gärten 100 Millionen Euro Soforthilfen.

Polen hat eine jahrhundertealte Reiterkultur und berühmte Araber- und Trakehner-Gestüte. Knapp 300.000 Pferde leben laut des Verbandes der Polnischen Pferdezüchter hier. Viele der Reit- und Nutztiere werden, wenn sie nicht mehr so leistungsfähig sind, an Händler oder Schlächter verkauft. In Italien und Frankreich gilt Pferdefleisch als Delikatesse, doch zumeist wird es zu Katzen- oder Hundefutter verarbeitet. Vor diesem Schicksal versuchen Pferdeasyle und Gnadenhöfe die Tiere zu retten. Hier können die einst von Kindern oder ihren erwachsenen Besitzern geliebten Tiere einen geruhsamen Lebensabend verbringen.

Doch die Kosten sind enorm. So muss die Stiftung Centaurus jeden Monat umgerechnet rund 230.000 Euro aufbringen. Bezahlt werden davon die Rechnungen für Heu und Stroh, Hafer, Mohrrüben und Äpfel, Medikamente, Wurmkuren, Decken, Bürsten und Halfter. Außerdem das Futter für die anderen Tiere, den Hufschmied, die Tierärzte, die Transporte zu Kliniken oder entfernt gelegenen Pferdekoppeln. Strom, Wasser und das Gehalt für zwölf fest angestellte Mitarbeiter*innen kommen hinzu. Rund 50 Freiwillige, die ein zweites Zuhause auf dem Pferdeasyl und Tierschutzhof gefunden haben, helfen ohne jedes Entgelt mit. Sie stellen kleine Videos von sich und ihren Lieblingstieren ins Netz, schildern die derzeit schwierige Lage und bitten um Spenden.

Weit über 1.000 gerettete Tiere

Als Mastyk 2006 die Stiftung gründete, studierte sie noch Anglistik und Romanistik, finanzierte ihre Pferde selbst, verkaufte Familienerbstücke oder gab Nachhilfestunden. Auch die Familie und Freunde halfen aus, aber ewig konnte das nicht gut gehen, erzählt sie. „Ich begann Spendenkampagnen zu organisieren und Gleichgesinnte um mich zu scharen, suchte ständig nach einem geeigneten Hof für die Tiere.“ Sie rettet Tier um Tier vor dem Schlachter, heute sind es bereits weit über 1.000.

Im Pferdeasyl finden auch Hunde, Katzen, Esel, Schafe, Lamas und sogar ein paar Schweine, Hühner und Kühe Schutz. 2012 gelang es Mastyk, das ehemals deutsche Gut in Szczedrzykowice, dem früheren Spittelndorf, für den günstigen Preis von umgerechnet knapp 200.000 Euro zu kaufen.

„Leider brannte 2012 das Dachgestühl des Gutshauses aus“, erzählt Mastyk „Damals haben uns die Deutschen geholfen, die noch vor dem Krieg hier lebten. Das war eine sehr besondere Situation, an die ich mich gerne zurückerinnere.“ Das Pferdeasyl mit der nunmehr festen Bleibe wuchs und wuchs. „Es ist uns gelungen, eine große Schar Tierliebhaber um Centaurus zu scharen, die oft auch ein Pferd oder ein anderes Tier adoptieren.“ Doch in Coronazeiten kämen viele davon wieder zu ihnen zurück – und suchten nun neue Adoptiveltern.

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