Affäre um Staatliche Ballettschule Berlin: Harte Worte sind ein guter Anfang

Es gab Kindeswohlgefährdung an der Ballettschule, urteilen Experten. Aber deswegen die Eliteschulen zu verteufeln wäre falsch. Ein Wochenkommentar.

Sandra Scheeres, Gregor Seyffert, Ralf Stabel

Bildungssenatorin Scheeres mit der freigestellten Schulleitung Gregor Seyffert und Ralf Stabel (r.) Foto: dpa

Das Urteil, auch wenn es erst mal nur ein Zwischenbericht war, fiel eindeutig aus: Ja, es war Kindeswohlgefährdung. Das hatte der Vorsitzende der Expertenkommission, die die Vorwürfe gegen die renommierte Staatliche Ballettschule und Schule für Artistik in Prenzlauer Berg aufarbeiten soll, Anfang der Woche gesagt – und es ist für ein solches Gremium nicht unbedingt üblich, dass es so früh so klare Worte wählt.

In der landeseigenen Eliteschule des Sports hatten die, um die es eigentlich gehen sollte, nämlich die Kinder und Jugendlichen, ganz offenbar keinerlei Lobby. Einzelne LehrerInnen – zwei Namen sollen bei den bisherigen Gesprächen mit den SchülerInnen laut Expertenkommission immer wieder gefallen sein – hätten ihre Machtposition ausgenutzt. Die ihnen eigentlich Schutzbefohlenen seien mit überharten Trainingsmethoden gedrillt worden, von körperlichem wie seelischem Missbrauch ist die Rede.

Und zu dem harten Training und den späten abendlichen Auftritten (die wohl auch gegen das Jugendschutzgesetz verstießen) sei dann noch eine intransparente Leistungsbewertung gekommen. Was „intransparent“ konkret heißen kann, drückte der Kommissionsvorsitzende Klaus Brunswicker am Montag so aus: „Auch, dass die Figur sich nicht so entwickelte, wie man es von einer Balletttänzerin erwartet, konnte ein Grund sein, dass der Schulwechsel empfohlen wurde.“ Man nennt so was auch Mobbing.

Die Schulleitung deckte das Fehlverhalten

Und am schlimmsten: Die Schulleitung deckte dieses Fehlverhalten. Beschwerden von SchülerInnen passten nicht zum nach außen hin auf Hochglanz polierten Image der Spitzenschule. Das ging so lange gut für die inzwischen freigestellte Schulleitung, bis sich SchülerInnen und MitarbeiterInnen Anfang des Jahres schließlich an die Öffentlichkeit wandten.

Also am besten gleich alle Sportschulen dicht machen? Lieber nicht

Die Frage ist jetzt: Was folgt daraus? Haben wir ja schon immer gewusst, dass Sporteliteschulen Mist sind!18:48, werden die einen sogleich rufen, die im Leistungssport ohnehin und per se Kindeswohlgefährdung sehen. Also am besten gleich alle Sportschulen dicht machen?

Lieber nicht. Auch wenn Leistungssport ein Konzept ist, das schwierig nachzuvollziehen ist, wenn man es nicht selber mal gemacht hat: Man muss das als Kind ohnehin selbst wollen. Mit Druck von außen wird man vielleicht gut, aber nicht spitze. Man muss relativ hart gegen sich selbst sein, und gerade Kinder können das sein.

Genau deshalb müssen die Erwachsenen aber da sein, um aufzupassen. Insofern sind die klaren Worte der Kommission zur Ballettschule ein guter Anfang im Aufarbeitungsprozess. Bleibt zu hoffen, dass er konsequent durchgehalten wird – von den Disziplinarmaßnahmen gegen einzelne Lehrkräfte, die Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) schon angekündigt hat, bis hin zu einem Kinderschutzkonzept. Auch das hatte die Schule, ausgerechnet als Eliteschule, bisher nämlich fahrlässigerweise nicht.

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Seit 2011 bei der taz. Leitet gemeinsam mit Sunny Riedel das Ressort taz.eins. Hier entstehen die ersten fünf Seiten der Tageszeitung, inklusive der Nahaufnahme - der täglichen Reportage-Doppelseite in der taz. Davor Ressortleiterin, CvD und Redakteurin in der Berliner Lokalredaktion. Themenschwerpunkte: Bildungs- und Familienpolitik.

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