Mali nach der Parlamentswahl: Oppositionsführer gesucht

Vor Wochen entführten Bewaffnete den Oppositionschef Soumaila Cissé. Er ist immer noch weg. Spricht die Regierung nun mit den Islamisten?

Ibrahim Boubacar Keita, Präsident von Mali, bei der ersten Runde der Parlamentswahl am 19. April Foto: Habib Kouyate/XinHua/dpa

COTONOU taz | Es ist einen Monat her, dass Soumaila Cissé, Anführer der Opposition in Mali, verschwunden ist. Der Chef der Union für Republik und Demokratie (URD) verschwand kurz vor der ersten Runde der Parlamentswahlen Ende März in seinem heimatlichen Wahlbezirk Niafunké in der Region Timbuktu, wo er auf Wahlkampftour war. Schnell wurde klar, dass islamistische Terroristen ihn in ihrer Gewalt haben.

Am Mittwoch schrieb die französische Webseite Le Point unter Berufung auf ein mittlerweile freigelassenes Mitglied von Cissés Team, der Politiker befinde sich weiterhin in den Händen des Dschihadistenführers Amadou Koufa. Dieser einstige Prediger aus der Volksgruppe der Peul gehört der Allianz Gruppe für die Unterstützung des Islams und der Muslime (JNIM) an, ein Zusammenschluss von drei Milizen. Koufas „Katiba Macina“ ist vor allem in Zentralmali rund um die Stadt Mopti aktiv.

In einem Aufruf haben 40 afrikanische und französische Prominente jetzt Malis Präsidenent Ibrahim Boubacar Keïta – allgemein als IBK bekannt – aufgefordert, sich stärker für Cissés Freilassung einzusetzen. Vor allem anfangs hielt sich die Regierung sehr bedeckt.

Cissés Freilassung soll Imam Mahmoud Dicko verhandeln, bis 2019 Vorsitzender des Islamischen Rates von Mali und der derzeit wohl einflussreichste religiöse Meinungsführer im Land. „Ich habe immer gesagt: Wir müssen mit allen, die die malische Nationalität haben, sprechen“, sagte Dicko eine Woche vor Cissés Entführung der taz. „Wir müssen wissen, was sie wollen und was möglich ist. Wir dürfen nicht in einen Krieg ohne Ende kommen.“

Abdoul Kassim Fomba, „Think Peace“

„Ich habe mich gefragt, worüber denn verhandelt werden soll“

In Mali herrscht seit Monaten eine Debatte darüber, ob mit Terrorist*innen verhandelt werden soll. Im Februar ließ die Regierung anklingen, dass das geschehen könnte. Alle Möglichkeiten müssten ausgeschöpft werden, so IBK damals.

Denn im Norden und im Zentrum Malis haben schwere Massaker mit Dutzenden Toten seit dem vergangenen Jahr zugenommen. Laut der US-Konfliktforschungsorganisation ACLED sind in den vergangenen zwölf Monaten in Mali 2.289 Menschen der Gewalt zum Opfer gefallen.

Abdoul Kassim Fomba, nationaler Koordinator der Denkfabrik Think Peace, bleibt skeptisch, was einen Dialog mit Dschihadist*innen angeht. „Anfangs habe ich mich immer gefragt, worüber denn mit ihnen verhandelt werden soll.“ Im Rahmen des von der Regierung initiierten Nationalen Dialogs im Dezember, bei dem über grundlegende Dinge wie die Organisation der Parlamentswahlen gesprochen wurde, war allerdings eine große Mehrheit für Gespräche mit dem bewaffneten Untergrund.

Mali hat wie auch Burkina Faso eine lange Tradition, Schwierigkeiten im Dialog und mit Mediation zu lösen. „Einen Versuch kann es wert sein“, sagt Fomba einerseits, bleibt andererseits aber kritisch, was die Intention der Islamisten angeht: „Wir leben in einer säkularen Republik, und das ist nicht ihre Position. Ich denke nicht, dass sie sich daran anpassen werden.“

Stimmabgabe verhindert

Wenig Beachtung findet unterdessen die Bekanntgabe der Ergebnisse der Parlamentswahl, die die Regierung trotz der Coronapandemie – im Land gibt es mittlerweile 293 Fälle, davon 17 Tote – durchgedrückt hatte.

Nach der ersten Runde Ende März fand in den meisten Wahlkreisen am 19. April die Stichwahl statt. In der Region, wo Cissé entführt wurde, verhinderten Bewaffnete die Stimmabgabe in mehreren Orten. Die Wahlbeteiligung wird insgesamt als sehr gering angegeben. Ersten Medieninformationen zufolge hat die regierende RPM (Sammlung für Mali) ein knappes Drittel der 147 Sitze geholt.

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