Pop-up-Radweg an der Alster: 750 Meter Kopenhagen

Der ADFC hat einen Pop-up-Radweg eingerichtet. Die Aktion fordert den Hamburger Senat auf, Radfahrer*innen mehr Platz zu geben.

Radfahrer fahren über einen breiten Radweg

Schon wieder weg: Der Pop-up-Fahrradweg an der Außenalster Foto: Blaulicht News/imago

HAMBURG taz | Seit Beginn der Coronapandemie wird eines immer wieder gepredigt: Abstand halten. Mindestens 1,5 Meter. Städte wie zum Beispiel Berlin haben schnell reagiert und Straßenspuren zu Fahrradwegen gemacht, damit auch Fahrradfahrer die Chance haben, den Abstand einzuhalten. In Hamburg ist lange nichts passiert. Jetzt hat der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) selbst die Initiative ergriffen. Von Sonntagmittag bis Montagabend hatte er einen temporären Pop-up-Radweg an der Alster, zwischen dem Hotel Atlantic und der Schwanenwikbrücke, eingerichtet. Dafür wurde über 750 Metern eine Fahrbahnspur gesperrt.

Mit dem Pop-up-Radweg will der ADFC den Senat darauf aufmerksam machen, dass auch Hamburger Radfahrer*innen und Fußgänger*innen in Zeiten der Coronapandemie mehr Platz auf der Straße brauchen, um die Abstandsregelungen einhalten zu können. „Es gibt ein dringendes Bedürfnis für breitere Radwege und der Senat steckt den Kopf in den Sand“, sagt ADFC-Pressesprecher Dirk Lau.

Die Hamburger*innen nehmen den Pop-up-Radweg gut an. Am Sonntag sollen zwischen 4.000 und 5.000 Radfahrer*innen den Weg genutzt haben, so der ADFC. Am Montagmorgen zwischen halb neun und halb zehn, während des Berufsverkehrs, seien es 1.000 Radfahrer*innen gewesen.

Das zentrale Argument der Kritiker*innen solcher Corona-Bikelanes ist, dass das PKW-Verkehrsaufkommen zu groß sei und die Straßen deswegen nicht für Fahrradwege verengt werden könnten. „Mit dem Anlaufen der Wirtschaft wird auch der Autoverkehr wieder zunehmen, fehlende Fahrspuren führen dann schnell zu Staus, die auch den öffentlichen Nahverkehr ausbremsen“, sagt etwa Lars Pochnicht, Radverkehrs­experte der SPD-Bürgerschaftsfraktion. Wenn man den Radverkehr verbessern wolle, dürfe man nicht auf ein Provisorium zulasten der Sicherheit und des Wirtschaftsverkehrs setzen, sondern brauche nachhaltige bauliche Veränderungen.

Dirk Lau, ADFC

„Es gibt ein dringendes Bedürfnis für breitere Radwege und der Senat steckt den Kopf in den Sand“

Dirk Lau vom ADFC hält dem entgegen, dass sich während der Aktion nur wenige Autos mehr als sonst auch gestaut hätten. Und auch Heike Sudmann, verkehrspolitische Sprecherin der Bürgerschaftsfraktion der Linken, befürwortet die Radweg­erweiterung. Sie hat in der Bürgerschaft einen Antrag für mehr Platz für Fuß- und Radverkehr in Zeiten von Corona gestellt. „Wir haben den Antrag erst jetzt gestellt, weil wir davon ausgegangen sind, dass Radwegerweiterungen in Coronazeiten eine Selbstverständlichkeit sind“, sagt Sudmann. Über den Antrag wird am Mittwoch entschieden.

Sudmann sieht in den temporären Radwegen auch eine langfristige Chance für die Zukunft. „Was sich temporär bewährt, kann man gerne langfristig durchsetzen“, sagt sie. Der Senat müsse aufhören, nur an den Autoverkehr zu denken.

Die Diskussion über die temporären Radwegerweiterungen feuert auch die allgemeine Radwegdiskussion an. Auch in den momentanen Koalitionsverhandlungen zwischen den Grünen und der SPD werden Radwege wieder ein Thema sein. Die Grünen wollen, dass in Hamburg pro Jahr 100 Kilometer neue Radwege gebaut werden, so heißt es in ihrem Wahlprogramm. „Wir wollen die Diskussionen um die temporären Radwege nutzen, um in Hamburg eine „tastende“ Verkehrsplanung durchzuführen“, sagt Martin Bill von den Grünen. „Auch nach Corona ist das eine große Chance für die Verkehrsplanung.“

Tastende Verkehrsplanung bedeutet, dass eine Änderung im Verkehrswesen erst mal ausprobiert wird, bevor eine teure und endgültige Umsetzung beginnt. So soll Fehlinvestitionen vorgebeugt werden. Die temporäre Corona-Bikelane des ADFC sei ein gutes Beispiel für so einen Verkehrsversuch. Es bleibt abzuwarten, ob und wie sich der Radwegausbau in Hamburg entwickeln wird.

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