Polizei in Mecklenburg-Vorpommern: Nazi-Chats und Auslandsmissionen

Ein Polizist aus Rostock hatte Kontakt zum „Nordkreuz“-Chef. Bei ihm wurden Waffen und Munition gefunden – und er war für Frontex im Einsatz.

Ein Polizist mit Frontex-Armbinde.

Ein Beamter der Bundespolizei im Einsatz in Griechenland Foto: dpa

BERLIN taz | Als Polizeibeamte in Rostock die Wohnung eines Kollegens von der Wasserschutzpolizei durchsuchten, ging es eigentlich um ein Disziplinarverfahren. Dann aber fanden sie Patronen, die offenbar unter das Kriegswaffenkontrollgesetz fallen, Waffen und Devotionalien aus der NS-Zeit.

Der Fall erinnert an andere rechtsextreme Vorfälle in der Polizei Mecklenburg-Vorpommern, an Haik J. etwa, den Kriminalpolizisten, der Feindeslisten geschrieben haben soll und Mitglied der Prepper-Gruppe „Nordkreuz“ war. Diese Gruppe hatte Marko G. ins Leben gerufen, ein ehemaliger SEK-Polizist. Er ist inzwischen wegen illegalen Waffen- und Munitionsbesitzes verurteilt.

Der Fall des Wasserschutzpolizisten ist seit November 2019 öffentlich, das Innenministerium in Mecklenburg-Vorpommern hatte sich damals aber uneindeutig dazu geäußert, ob es eine Verbindung zwischen den Nordkreuz-Männern und dem Wasserschutzpolizisten Sven J. gibt. Wie taz-Recherchen jetzt zeigen, ist Sven J. aber überhaupt nur aufgefallen, weil Ermittler Chatnachrichten von Marko G. nach rechtsextremen Äußerungen durchforsteten.

Die LKA-Ermittler fanden Nachrichten von Sven J., die sie für strafrechtlich relevant hielten, wie aus einem Protokoll des Innenausschusses im Schweriner Landtag vom Dezember hervorgeht. Die Staatsanwaltschaft Schwerin sah allerdings keinen hinreichenden Tatverdacht. Es wurde also ein Disziplinarverfahren eingeleitet, in dessen Zuge auch sein Haus durchsucht und Waffen gefunden wurden.

„Zweifel an der Verfassungstreue“

Die Staatsanwaltschaft ließ damals verlauten, sie sehe keine Anhaltspunkte für eine Verbindung zu rechtsextremen Netzwerken. Eine unabhängige Expertenkommission hatte zuvor festgestellt, dass sich das Problem der vernetzten rechtsextremen Polizisten auf eine einzelne Gruppe im Spezialeinsatzkommando beschränke. Allerdings hatte die Kommission auch nur den Auftrag, sich die beim LKA Mecklenburg-Vorpommern angesiedelten Spezialeinheiten anzuschauen; die Wasserschutzpolizei gehört da nicht dazu.

Die Ermittlungen liegen nun bei der Staatsanwaltschaft in Rostock. Sprecher Harald Nowack teilte mit, von der Verbindung zu Marko G. habe man dort nichts gewusst. Derzeit prüfe die Staatsanwaltschaft die gefundenen Waffen und die Munition darauf, ob sie überhaupt ein Verstoß gegen das Waffengesetz oder das Kriegswaffenkontrollgesetz darstellten. „Die Auswertung der EDV hat noch nicht stattgefunden“, sagte Nowack. Chatnachrichten seien bislang für die Ermittlungen noch nicht relevant.

Der Fall ist nicht nur deshalb interessant, weil Sven J. im Austausch mit dem Ex-SEK-Beamten Marko G. stand, der zeitweise zur Wasserschutzpolizei abgeordnet war. Die Personalie Sven J. ist noch aus einem weiteren Grund brisant: Ausgerechnet der Polizist, bei dem heute laut Innenministerium „Zweifel an der Verfassungstreue“ bestehen, war mehrfach bei Polizeimissionen im Ausland eingesetzt. In den Jahren 2010 bis 2019 seien es neun Einsätze gewesen, bestätigt das Innenministerium.

2010 war Sven J. Teil des deutsch-afghanischen Polizeiausbildungsprojekt GPPT in Masar-e Scharif. Ein paar Jahre später wurde er nach Südeuropa geschickt: Er war Teil der Frontex-Mission „Poseidon“ zur „Verhinderung der illegalen Migration und Unterstützung der griechischen Behörden bei der Überwachung der Seegrenzen und der Feststellung von Schleusern“, wie das vom Landesinnenminsterium herausgegebene „Polizei-Journal“ schrieb.

Mission: Flüchtlinge retten

Die Polizisten waren auf Kontroll- und Streifenbooten der Bundespolizei unterwegs, um entlang der türkischen Seegrenze Schiffe zu kontrollieren, Schleuser festzunehmen und gegebenenfalls Flüchtlinge zu retten. Seit Anfang 2018 waren auch Beamte aus Mecklenburg-Vorpommern dabei. „Die Einbindung einer Landeswasserschutzpolizei ist bundesweit einmalig“, hieß es damals.

Sven J. war zusammen mit einem Kollegen der erste Beamte aus dem Bundesland, der auf die Insel Samos geschickt wurde, vier Wochen lang war er dort. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Ermittler schon Marko G. im Blick, bei ihm waren zehntausende Schuss Munition und Waffen sichergestellt worden, die der Prepper als Vorbereitung auf einen „Tag X“ gehortet hatte. Und 2019 war Sven J. dann erneut im Auslandseinsatz. Im Innenausschuss in Schwerin sagte der Staatssekretär: Sven J.s Gesinnung sei viel zu spät aufgefallen.

Laut Innenministerium laufen derzeit elf Disziplinarverfahren gegen Polizisten, die im weitesten Sinne mit Rechtsextremismus zu tun haben. Acht davon stehen in Zusammenhang mit dem Fall Marko G.

Anm. d. Red.: Im fünften Absatz wurde klargestellt, dass die Expertenkommission keine Aussagen getroffen hat, die die gesamte Polizei Mecklenburg-Vorpommern betreffen.

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Illustration: taz/Infotext-Berlin (Montage)

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