Freispruch für Hannovers Ex-OB Schostok: Nichts gewusst, trotzdem weg

Bei Stefan Schostok (SPD) sieht das Gericht keine Untreue zu Lasten der Stadt. Bei zwei seiner Ex-Mitarbeiter schon.

Ex-Oberbürgermeister Stefan Schostok vor dem Gebäude des Landgerichtes Hannover

Stefan Schostok hat gut lachen: Der Ex-Oberbürgermeister wurde freigesprochen Foto: Julian Stratenschulte/dpa

HANNOVER taz | Ein Freispruch für Hannovers Ex-Oberbürgermeister Stefan Schostok (SPD), eine Geldstrafe von 20.400 Euro für seinen Ex-Büroleiter Frank Herbert und eine Bewährungsstrafe von elf Monaten für den ehemaligen Personaldezernenten Harald Härke – das sind die Strafen, die am Ende des Prozesses um Hannovers Rathausaffäre stehen.

Vier Monate lang waren im Landgericht Hannover unter dem Vorsitz von Richter Patrick Gerberding Whatsapp-Chats verlesen, Aktenvermerke analysiert und Zeugen gehört worden.

In der juristischen Feinarbeit erschöpfte sich am Ende eine Skandalgeschichte, die in der Stadt monatelang für Kopfschütteln gesorgt hatte: Es begann mit einem Disziplinarverfahren gegen den Personaldezernenten, der seiner Lebensgefährtin einen Job zuschanzen wollte. Ging weiter mit vertraulichen Personalakten, die bei der Opposition und der Presse landeten. Und endete nach monatelangen Querelen und zeitweise bizarren öffentlichen Auftritten aller Beteiligten mit dem Rücktritt des Oberbürgermeisters – und letztlich dem Verlust der SPD-Herrschaft im Rathaus nach über 70 Jahren.

Büroleiter findet immer noch, das Geld stehe ihm zu

Am Ende sah es das Gericht als erwiesen an, dass Personaldezernent Härke monatelang Zulagen für den Chefjuristen und engsten Vertrauten des Bürgermeisters angewiesen hatte, obwohl ihm klar war, dass diese illegal waren. Mehr noch: Härke soll behauptet haben, die Zulagen für Herbert seien mit der Kommunalaufsicht im Innenministerium abgesprochen worden. Das wertete das Gericht als Betrug, weil damit die Bedenken anderer Mitarbeiter im Personaldezernat ausgehebelt wurden.

Stefan Schostok kann sich nach dem Debakel, dass die Rathausaffäre, seiner SPD eingebracht hat, vorstellen, wieder Politik zu machen

Bei dem Profiteur des Ganzen, Herbert, ist die Bewertung diffiziler: Fast 50.000 Euro, rund 1.300 Euro im Monat, hat Schostoks wichtigster Mann bis Mai 2018 zu viel kassiert, den Betrag stottert er bis heute widerwillig von seinem Gehalt ab.

Im Grunde scheint Frank Herbert aber immer noch davon überzeugt, dass Geld habe ihm doch eigentlich zugestanden – weil man ihn ja ursprünglich zum Dezernenten hatte machen wollen (was sich politisch nicht durchsetzen ließ), und auch weil er so viel und so hart arbeitete.

Schostok hat es nicht wissen wollen

Während der Richter die Urteilsbegründung vorliest, schüttelt er mehrfach den Kopf, pult ansonsten an seiner Handfläche herum und schleicht am Ende an den wartenden Journalisten vorbei aus dem Gerichtssaal, während die anderen beiden Angeklagten ihre Statements abgeben.

Dabei hat ihm das Gericht diese subjektive Auffassung sogar abgenommen – die Offenheit Herberts sei ja dicht an einem Geständnis gewesen, sagt der Richter. Nur die Wertung ist letztlich eben eine andere: Herbert hätte seinen Chef – also Schostok – zumindest darüber informieren müssen, dass es da ein paar rechtliche Bedenken gab, hält das Gericht ihm vor. Und auch wenn er die Zulage als Kompensation für Überstunden verstanden wissen wollte, hätte er diese eben ordentlich anzeigen und dokumentieren müssen.

Unter dem Strich geht das Urteil von einem vermeidbaren Verbotsirrtum aus, wie es bei Juristen heißt. Sprich: Herbert hätte es besser wissen müssen, wollte das aber lieber nicht.

Und dieses Nicht-wissen-Wollen gilt dann erst recht für den angesichts seines Freispruchs sehr, sehr erleichterten Stefan Schostok. Der, sagt das Gericht, hätte natürlich gründlicher prüfen können und vielleicht auch müssen, ob alles mit rechten Dingen zugeht, als die ersten Gerüchte bei ihm landeten. Aber für den Vorwurf der Untreue reiche das allein eben nicht. Bis zum Schluss, sagt der Richter, habe er offenbar auf seinen Chefjuristen und engsten Mitarbeiter Herbert vertraut.

Ihre Karrieren sind beendet

Die Staatsanwaltschaft hatte hier grobere Pflichtverletzungen gesehen und für alle drei Angeklagten Bewährungsstrafen plus Geldstrafen in unterschiedlicher Höhe gefordert. Trotzdem zeigte sich Oberstaatsanwalt Thomas Klinge nicht unzufrieden mit dem Urteil. Das Gericht sei „in Nuancen“ zu einer anderen Bewertung gekommen, die Materie eben sehr komplex, man werde die Begründung gründlich prüfen, bevor man über eine mögliche Revision entscheide, sagt er.

Was übrig bleibt, sind drei Männer, deren Karrieren auch mit milden Strafen beendet sind. Auch wenn Ex-OB Schostok im Gerichtsflur betont, dass er ja erst 56 Jahre alt werde und sich durchaus vorstellen könne, sich wieder politisch zu engagieren.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.