Carsharing in der Corona-Krise: Buchungen brechen ein

Wegfahren unerwünscht: Nur noch wenige Leute mieten ein Auto bei einem Carsharing-Anbieter. Ein Drittel der Firmen fürchtet um die Existenz.

Schild mit der Aufschrift Carsharing-Information

Nur noch wenige NutzerInnen: Carsharing-Anbieter fürchten um ihre Existenz Foto: dpa

BERLIN taz | Die 25 MitarbeiterInnen sind seit dem 1. April in Kurzarbeit, die Buchungen um 80 Prozent eingebrochen – die Coronakrise schlägt beim ostdeutschen Carsharing-Anbieter Teilauto voll zu. So geht es derzeit der gesamten Branche. Viele Anbieter fürchten, die Krise nicht zu überleben.

Deutschlandweit verleihen 226 Carsharing-Firmen, Vereine oder Genossenschaften an 840 Orten insgesamt rund 25.400 Fahrzeuge. Teilauto ist wie 170 weitere Anbieter im Bundesverband CarSharing organisiert, der sich der Verkehrswende verpflichtet fühlt. Die Idee: Wer Autos mit anderen teilt, braucht kein eigenes. Die Straßen werden leerer, unnötige Fahrten vermieden.

Neben kleinen Firmen, Vereinen oder Genossenschaften drängen allerdings zunehmend Autokonzerne auf diesen Markt, vorwiegend in Großstädten. Im Verhältnis zur gesamten deutschen Autoflotte von rund 47 Millionen Fahrzeugen ist der CarSharing-Bestand klein. Zuletzt ist er zwar um immerhin knapp 26 Prozent gewachsen. Doch die Coronakrise könnte den Trend umkehren und zu einem sinkenden Angebot führen.

Denn wie Teilauto geht es im Moment allen. Die Firma bietet in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen an 620 Stationen rund 1.200 eigene sowie die Fahrzeuge von Partnern aus dem Carsharing-Verbund an. Vor Corona haben die 42.500 KundInnen das Angebot rege genutzt. „Jetzt fahren die Leute kaum noch, aber die Mieten für die Stationen laufen weiter“, sagt Teilauto-Sprecherin Franziska Wilhelm.

Fuhrpark ausdünnen keine Lösung

Auch andere Kosten wie Versicherungsbeiträge für die Fahrzeuge fallen noch an. Nur wenige Autos werden stillgelegt. Den Fuhrpark deutlich auszudünnen, sei keine Lösung, sagt sie. „Es gibt Leute, die jetzt dringend auf uns angewiesen sind.“ So nutzen MitarbeiterInnen aus systemrelevanten Berufen die Autos, um zur Arbeit zu kommen oder Privatleute, um einzukaufen.

Dass KundInnen aus Furcht vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus aufs Buchen verzichten, sei eher nicht der Fall, meint Wilhelm. Die Innenraum der Fahrzeuge wird regelmäßig – wenn auch nicht nach jeder Fahrt – gereinigt.

Neben dem Händewaschen vor und nach einer Tour können sich KundInnen mit Handschuhen schützen. „Es ist weniger die Angst, die zu dem Umsatzeinbruch führt“, sagt Wilhelm. „Es sind die Anlässe, die wegfallen.“ Ausflugs- und Besuchsfahrten sind gestrichen, viele Menschen arbeiten im Homeoffice. Zu schaffen macht dem Unternehmen vor allem das ausgefallene Ostergeschäft. „Das ist normalerweise der Auftakt zur Hauptsaison“, sagt sie.

Leipzig stockt Carsharing-Nutzung auf

Teilauto wurde 1992 als Verein gegründet. Daraus wurde die Mobility Center GmbH, die vom Gemeinwohl-Ökonomie-Verband zertifiziert ist und sich etwa zu hohen Umweltstandards und fairen Arbeitsbedingungen verpflichtet. „Wir haben lange gekämpft, um am Markt zu bleiben“, sagt Wilhelm. Jetzt wollen sie und ihre KollegInnen sich nicht unterkriegen lassen. „Aber das wird ein schweres Jahr“, sagt sie.

Einen Kredit bei der KfW hat das Unternehmen bereits beantragt. Auf spezielle Marketingmaßnahmen verzichtet teilAuto, um nicht unnötige Fahrten zu provozieren. Einige neue KundInnen kommen auch in dieser Zeit, bei manchen steigt der Bedarf. „Die Stadt Leipzig hat ihr Kontingent aufgestockt und 25 zusätzliche Fahrzeuge geordert“, berichtet sie. Andere KundInnen wollen Patenschaften für Parkstationen übernehmen, um die Firma zu unterstützen.

Laut Bundesverband Carsharing sind die Buchungszahlen bei den Mitgliedsunternehmen bereits im März um fast 50 Prozent eingebrochen. Für April und Mai werden Einbrüche bis zu 80 Prozent erwartet, viele haben ebenfalls Kurzarbeit eingeführt. Die meisten reduzieren ihre Flotten, um Kosten zu senken. Mehr als ein Drittel der Unternehmen schätzt einer Umfrage des Verbands zufolge die Auswirkungen der Coronakrise als existenzbedrohend ein. „Wir müssen dafür sorgen, dass das Carsharing-Angebot nicht langfristig geschwächt wird“, sagt Verbandsgeschäftsführer Gunnar Nehrke.

Staat soll Anbieter unterstützen

Das Carsharing-Angebot in Deutschland sei in den vergangenen 30 Jahren ohne jede finanzielle Förderung des Staates aufgebaut worden, betont er. Und: „In der jetzigen Ausnahmesituation sollten Bund, Länder und Kommunen die Anbieter unterstützen, um diese Errungenschaft zu erhalten“.

Bund und Länder sollen laut Nehrke ein Programm ins Leben rufen, um die dienstliche Nutzung von Carsharing-Angebote von Beschäftigten in Verwaltungen und Unternehmen zu fördern. Von den Ländern fordert der Verband ein kurzfristiges Förderprogramm für Kliniken, ÄrztInnen, Pflegekräfte und andere Angehörige systemrelevanter Berufe. Sie sollen nach den Vorstellungen des Verbands staatlich finanziert die jetzt kaum gebuchten Fahrzeuge nutzen können.

Mit seinen Forderungen hat sich der Verband unter anderem an den Deutschen Städtetag gewandt. Dem sei die prekäre Lage vieler Carsharing-Unternehmen bewusst, sagt Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy. „Viele Städte und Krankenhäuser bieten ihren Beschäftigten angesichts der Corona-Pandemie gesonderte Mobilitätsmöglichkeiten, beispielswiese auch Carsharing“, sagt er und spielt den Ball zurück: „Hier sind die Carsharing-Unternehmen ihrerseits aufgerufen, mit den Städten, Betrieben und Einrichtungen entsprechende Vereinbarungen auszuhandeln.“ Viele Angebote seien allerdings nur eingeschränkt nutzbar, weil Einsatzorte der städtischen Beschäftigten nicht in den Geltungsbereichen der Carsharing-Unternehmen liegen.

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