Entwicklungsorganisationen in der Krise: Bei Oxfam bleiben die Läden zu

Die Krisenhilfe der Bundesregierung erreicht entwicklungspolitische Organisationen kaum. Dabei ist ihre Arbeit derzeit doppelt gefragt.

Oxfamladen in Berlin.

Gerade kein Second-Hand shoppen: Die Läden von Oxfam bleiben vorerst zu Foto: Stefan Zeitz/imago

BERLIN taz | Leichte Kleidchen an den Ständern, bunte Shirts in Wühlkisten – und vor allem offene Türen: Seit Montag haben kleine und mittlere Läden in den meisten Bundesländern trotz der andauernden Corona-Krise wieder geöffnet. Am Mittwoch kommen Geschäfte in Berlin und Brandenburg dazu, am Freitag auch die in Thüringen. Geschlossen bleiben aber die 54 Second-Hand-Shops der Hilfsorganisation Oxfam. Dabei bräuchte die Hilfsorganisation die Einnahmen aus dem Verkauf von Kleidung, Büchern oder Geschirr dringend.

Praktisch alle entwicklungspolitischen Organisationen haben wegen der Pandemiefolgen weniger Geld – weil die Spenden zurückgegangen sind und geförderte Projekte in den Partnerregionen wegen Ausgangssperren ausgesetzt werden. Gleichzeitig ist Hilfe besonders notwendig, weil die Corona-Krise im globalen Süden vielerorts auf ohnehin bestehende Krisen aufsetzt.

Deshalb fordert Venro, der Verband Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe, staatliche Unterstützung für seine Mitgliedsorganisationen. Venro-Vorstand Bernd Bornhorst, sagte, die Situation sei noch nicht gänzlich überschaubar, man könne jedoch schon sehen, dass Probleme keine Ausnahmen seien. Vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung fordert er Flexibilität. „Wir sind darauf angewiesen, dass Projekte verlängert und Finanzierungspläne geändert werden.“

Bornhorst schlägt vor, Spendenrückgänge zumindest zum Teil durch staatliche Gelder auszugleichen. Da viele NGOs als Vereine oder Stiftungen organisiert sind, werden sie von den bislang beschlossenen Hilfsmaßnahmen oft nicht erreicht. Bestimmte Steuererleichterungen etwa nützen gemeinnützigen NGOs wenig, da sie die Abgaben ohnehin nicht zahlen müssen. Zuschüsse für Personal und Verwaltungskosten könnten aber helfen. Manche Venro-Mitglieder hätten bereits Teilzeitkräfte oder Praktikant*innen entlassen müssen, so Bornhorst.

Neue Ehrenamtliche gesucht, auch übergangsweise

Oxfam musste niemanden entlassen, denn die Shops werden von je 50 bis 80 Ehrenamtlichen betrieben. Viele von ihnen gehören zu den Corona-Risikogruppen. „Sie können nicht alle wieder an der Kasse stehen, wenn die Läden öffnen“, sagt Oxfam-Sprecher Steffen Küßner. Derzeit arbeite man auf eine Wiedereröffnung „Anfang Mai“. „Dafür suchen wir neue Ehrenamtliche, auch übergangsweise“, so Küßner.

2019 erzielten die Läden 2,45 Millionen Euro – 8 Prozent des Oxfam-Budgets. „8 Prozent klingt nicht viel, aber es sind zweckungebundene Mittel“, sagt Küßner. Deshalb könne das Geld – anders als die meisten Spenden und Fördergelder – dort eingesetzt werden, wo sie aktuell am dringendsten gebraucht werden. „Damit sichern die Mittel unsere politische Unabhängigkeit“, erklärt Küßner. Da Oxfam „alles daran setzt, dass es imglobalen Süden zu allerletzt zu Kürzungen kommt“, bedeuten die Einbußen aus den Shops, dass zunächst Maßnahmen in Deutschland verschoben werden.

Die evangelische Hilfsorganisation Brot für die Welt hat mit ähnlichen Problemen zu kämpfen, jedoch aus einem anderen Grund. Sie finanziert ihre Arbeit unter anderem aus Kirchensteuermitteln. Diese machten 2018 mit 55,7 Millionen Euro rund ein Fünftel der Einnahmen aus. Die wackeln jetzt. „Die Kirchen gehen derzeit davon aus, dass das Kirchensteueraufkommen dieses Jahr um 10 bis 15 Prozent zurückgeht“, so Klaus Seitz, Leiter der Abteilung Politik bei Brot für die Welt. Das hätte dann „erhebliche Auswirkungen auf unsere Arbeit“. Ob auch das Spendenaufkommen geringer wird, ist noch abzuwarten. Zu befürchten ist, dass die Online-Oster-Kollekte im Rheinland die sonst übliche Sammlung in den Ostergottesdiensten nicht eins zu eins ersetzen kann.

Konkurrenz von Corona- und anderen Projekten

Brot für die Welt unterstützt mehrere Partnerorganisationen mit zusätzlich freigegebenen Projektmittelreserven bei coronaspezifischen Maßnahmen und der Nothilfe frei und setzt auch in nächster Zeit vermehrt auf Projekte für die Eindämmung der Pandemie und deren Folgen.

Die Aufgabe ist nicht leicht, wenn viele Projekte wegen der Corona-Beschränkungen auf Eis liegen und sich Zeitpläne zumindest verschieben. „Dafür versuchen wir flexible Lösungen zu finden“, sagt Seitz. In Kenia etwa konnte ein Kindergarten für Kinder aus einem nahegelegenen Slum nicht eröffnet werden. Für die Kinder, deren Eltern als Tagelöhner derzeit ohnehin nur schwer Jobs bekommen, bleibt deshalb die erhoffte warme Mahlzeit aus. Wie ihnen trotzdem geholfen werden kann, prüft die Hilfsorganisation momentan.

Für all das sei eher mehr Geld nötig. „Wir können unseren Partnern mittelfristig nur helfen, die Corona-Pandemie und die wirtschaftlichen Folgen zu bewältigen, wenn wir zusätzliche Mittel erhalten.“ Seitz fordert deshalb, dass „die Bundesregierung zusätzliche Mittel für die Corona-Bekämpfung in Entwicklungsländern bereitstellt“. Schließlich sei die Pandemie „eine globale Aufgabe“.

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