Angst vor der Ansteckung mit dem Virus: Visite beim Apotheker

Jeden Tag werden die Abstände in der Schlange vor der Apotheke ein bisschen weiter. Niemand will sich bei den anderen verseuchten Typen anstecken.

Apothekerin mit Mundschutz steht hinter einer Plexiglasscheibe

Was passiert, wenn dir die Apothekerin ins Gesicht hustet? Foto: Silas Stein/dpa

Wie immer in diesen Corona-Tagen gehe ich frühmorgens, sofort nach dem Aufstehen, zur Apotheke. Es sind nur sechs Menschen da, aber eine riesige Schlange über 30 Meter, weil alle mindestens fünf Meter Sicherheitsabstand halten, um die anderen nicht zu gefährden, aber in Wirklichkeit, um sich von all den anderen verseuchten Typen nicht mit bösartigen Corona- Viren anstecken zu lassen.

„Guten Morgen“, begrüßt mich der Apotheker wie jeden Morgen hinter seinem Panzerglas, wie früher die Kassierer bei der Bank, um sich gegen die Räuber zu schützen.

„Haben Sie etwas gegen starke Halsschmerzen?“, frage ich.

„Ja“, antwortet er knapp, schnappt sich eine Packung Tabletten und erklärt mir, wie ich sie einnehmen soll.

„Nehmen Sie denn selber diese Tabletten ein?“, frage ich neugierig.

„Nein, warum sollte ich? Ich habe doch keine Halsschmerzen“, fragt er zurück.

„Schön für Sie. Haben Sie etwas gegen zu hohes Fieber?“

Sofort zaubert er wieder irgendwelche Medikamente hervor. „Wissen Sie, wie Sie diese Tabletten einnehmen sollen?“, fragt er.

„Nein“, sage ich. „Aber warum wissen Sie es denn so gut, nehmen Sie sie etwa selber ein?“

„Warum sollte ich denn? Ich habe doch kein Fieber“, knurrt er.

„Ich ja auch nicht“, sage ich höchst erfreut. „Haben Sie Toilettenpapier?“

„Nein. Da müssen Sie schon gegenüber in die Drogerie gehen“, sagt er leicht genervt.

„Meinen Sie, ich sollte Toilettenpapier hamstern? Haben Sie denn welches gehamstert?“

„Mein Herr, wenn Sie keine Medikamente haben wollen, dann gehen Sie bitte. Es warten noch genug Leute draußen.“

„Gut, dann bis morgen, Tschüss. Passen Sie gut auf sich auf“, verabschiede ich mich erleichtert.

Ein neuer Tag, ein neuer Besuch

Am nächsten Morgen stehe ich wieder total aufgeregt vor der Apotheke. Die Sieben-Mann-Schlange ist sehr lang, bei sechs Metern Sicherheitsabstand. Vor lauter Angst erhöhen die Menschen ihn jeden Tag um einen Meter.

„Guten Morgen, womit kann ich dienen?“, fragt der Apotheker freundlich. Als er mich hinter meinem Mundschutz erkennt, verschwindet seine Freundlichkeit augenblicklich.

„Haben Sie etwas gegen sehr starke Halsschmerzen?“, frage ich.

„Ja“, sagt er knapp und schnappt sich wieder das Medikament von gestern.

„Nehmen Sie das denn selber ein?“, frage ich.

„Mein Gott, warum sollte ich es denn nehmen, verdammt? Ich habe doch keine Halsschmerzen. Seit zehn Tagen nerven Sie mich schon mit Ihren blöden Fragen!“

„Nein, seit genau 14 Tagen“, verbessere ich ihn. „Vor 14 Tagen hatten Sie diesen Glaspanzer noch nicht vor Ihrer Nase und haben mich frontal angehustet. Jetzt, nach zwei Wochen ist klar, Sie haben kein Corona. Und können mich deshalb auch nicht angesteckt haben. Ihre Quarantäne ist hiermit beendet. Meine morgendliche Visite bei Ihnen auch.“

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Die Coronapandemie geht um die Welt. Welche Regionen sind besonders betroffen? Wie ist die Lage in den Kliniken? Den Überblick mit Zahlen und Grafiken finden Sie hier.

▶ Alle Grafiken

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.