Europa und der Exit aus dem Lockdown: Von der Leyens Leiden

Für einen Corona-Exit braucht es Tests, Schutzkleidung, Masken. Die EU war nicht in der Lage, diese zu beschaffen.

ein Paar in weisser Schutzkleidung geht auf der Straße spazieren

Ein geregelter Ausstieg gelingt nicht ohne Schutzkleidung für alle Foto: Sebastian Brogca/dpa

Ursula von der Leyen ist wahrlich nicht zu beneiden. Was auch immer die deutsche EU-Präsidentin in der Coronakrise macht, es greift zu kurz und es kommt zu spät. Schon vor Ostern wollte die CDU-Politikerin ihre Strategie für den geordneten, EU-weiten Ausstieg aus Kontaktsperren und Grenzschließungen vorlegen. Doch sie wurde zurückgepfiffen, vor allem von Frankreich.

Nun liegen die Empfehlungen endlich auf dem Tisch. Sie klingen vernünftig: Jeder Ausstieg aus den Schutzmaßnahmen soll wohl überlegt und gut abgestimmt sein, vor allem mit den europäischen Nachbarn. Doch just in dem Moment, da von der Leyen ihren Plan vorstellte, preschte Deutschland vor – und verlängerte die nationalen Grenzkontrollen um 20 Tage.

Auch sonst kann von einem koordinierten Ausstieg keine Rede sein. Österreich und Dänemark sind schon vorausgeeilt. Beide Länder haben bereits am Dienstag ihren „Exit“ begonnen – ohne auf die EU zu warten. Auch die Landesregierung von NRW nimmt keine Rücksicht auf von der Leyen. Ministerpräsident Armin Laschet trommelt seit Tagen für schnelle Lockerungen.

Das eigentliche Versagen der europäischen Antikrisenpolitik liegt aber woanders: Es fehlt an einheitlichen oder wenigstens vergleichbaren Kriterien für den „Exit“. Und es fehlt an den notwendigen Vorkehrungen – also Tests, Masken und Schutzkleidung. Die EU war nicht in der Lage, das für einen geordneten Ausstieg dringend benötigte Material zu beschaffen.

Streng genommen dürfte Deutschland keinen „Exit“ planen

Nicht einmal die Tests, die die Weltgesundheitsorganisation seit Wochen fordert, sind in ausreichender Zahl vorhanden. Nicht einmal Deutschland ist in der Lage, genug Menschen zu testen, um sich einen Überblick über die Corona-Lage zu verschaffen. Nicht einmal das größte und bisher im Kampf gegen Covid-19 erfolgreichste EU-Land kann die Pandemie wirksam überwachen.

Streng genommen dürfte Deutschland daher noch gar keinen „Exit“ planen – denn von der Leyen fordert eine strenge Kontrolle der Pandemie in allen EU-Ländern. Doch die Bundesregierung dürfte sich darum ebenso wenig scheren wie Dänemark oder Österreich. Gesundheitspolitik ist Ländersache – die EU-Kommission darf zwar eine Meinung haben, doch entscheiden darf sie nicht.

Auch deshalb ist von der Leyen nicht zu beneiden. Ihr fehlen sowohl die Kompetenzen als auch die Mittel, um diese Krise zu lösen. Allzu großes Mitleid muss man mit der CDU-Frau aber auch nicht haben. Denn niemand hat sie gezwungen, so zu tun, als sei sie Europas Chefärztin. Von der Leyen drängt sich in den Vordergrund, wo sie besser in der zweiten Reihe geblieben wäre.

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Europäer aus dem Rheinland, EU-Experte wider Willen (es ist kompliziert...). Hat in Hamburg Politikwissenschaft studiert, ging danach als freier Journalist nach Paris und Brüssel. Eric Bonse betreibt den Blog „Lost in EUrope“ (lostineu.eu). Die besten Beiträge erscheinen auch auf seinem taz-Blog

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