Digitales Engagement in der Corona-Krise: Sofaheldin in Quarantäne

Manche Menschen müssen etwas tun, wenn um sie alles den Bach runtergeht. Sie bekämpfen damit das eigene Ohnmachtsgefühl – und helfen anderen.

Ein Mensch liegt auf einem Sofa und schaut auf sein Handy

Sofa, Handy – mehr braucht es nicht für das digitale Engagement Foto: Tobias Hase/dpa

HAMBURG taz | Die Corona-Krise war noch dabei, sich diesen Namen vollends zu verdienen, da war die Corona-Hilfe längst angelaufen. Auf Facebook, in Telegram-Gruppen oder einfach über Whatsapp fanden sich Leute zusammen, die was tun wollen.

Ich lebe mit einer von ihnen zusammen. Ich nenne sie neuerdings gern „Sofaheldin“. Wenn dabei anfangs ein leicht spöttischer Unterton mitschwang, spreche ich das Wort mittlerweile zärtlich und mit einer Portion Bewunderung aus.

Die Sofaheldin kam vor drei Wochen von einer Dienstreise aus einem Land zurück, das kurz darauf als Corona-Risikogebiet eingestuft wurde. Am Flughafen wurde sie weder registriert noch nach ihrem Befinden gefragt. Sie begab sich aber sicherheitshalber in freiwillige Selbstquarantäne. In ihrem Reisegepäck fanden sich Restbestände von Desinfektionsmittel und FFP3-Atemschutzmasken, die sie vor der Reise in weiser Voraussicht beschafft hatte, als sie noch leicht verfügbar waren.

Am nächsten Morgen begann die Sofaheldin, auf ihrem Handy die Lage zu checken. Und die war schlecht. Obdachlosenhilfe – zusammengebrochen. Arztpraxen ohne Schutzkleidung. In ein paar Stunden wusste sie, wo der Schuh drückt. Sie wurde unruhig. Irgendwas musste sie doch tun! Auch wenn sie nicht aus dem Haus konnte.

Irgendwas tun!

Desinfektionsmittel und Atemschutzmasken gingen an eine Arztpraxis mit Corona-Sprechstunde, in der zwei Arzthelferinnen sich bis dahin eine Maske teilten. Ein paar Tage später lagen neue Atemschutzmasken auf dem Küchentisch. Wo die herkamen? Sie hatte einen jungen Chinesen aufgetan, der welche liefern konnte, zu annähernd normalen Preisen. Das Arztmobil bekam welche, das in Hamburg Obdachlose versorgt, und die Geflüchtetenhilfe um die Ecke, die über Nacht auf Lunchpakete für Obdachlose umgestellt hatte.

Nun ist eine Großbestellung auf dem Weg, die sich mehrere Gruppen und Institutionen teilen. Eine Pharma-Firma will Masken spenden. Desinfektionsmittel trudelt in kleinsten Chargen peu à peu aus teils entlegenen Ecken der Stadt ein. Die Klinik, in der der Arztmobil-Arzt seine Brötchen verdient, bekommt was davon.

Die Sofaheldin sagt, das sei doch alles nichts. Ist es aber doch. Ein paar Leute macht all das sehr, sehr glücklich. Und die Sofaheldin wenigstens ein kleines bisschen weniger unglücklich.

Sie kann das nämlich nicht – einfach so rumsitzen und so tun, als ginge sie das ganze Elend um sie herum nichts an. Das hält sie nicht aus. Das weiß ich seit dem Sommer 2015, als vor unserer Haustür Deutschlands größte Flüchtlingsunterkunft entstanden war und ich über die Straße gehen musste, wenn ich sie mal sehen wollte.

Klatschen auf dem Balkon

Viele Aktivist*innen von damals sind plötzlich wieder da, die Netzwerke funktionieren wie eine gut geölte Maschine. Als hätten sie nur einen Winterschlaf gehalten. Sie übersetzen Corona-Informationen in alle möglichen Sprachen, kümmern sich um Obdachlose ohne Ansehen ihrer Herkunft, setzen die Stadt unter Druck, wo sie pennt. Und abends klatschen sie auf dem Balkon.

Am Anfang war mir das suspekt, da dachte ich: Wartet damit doch, bis es ernst wird. Mittlerweile denke ich: Selbst wenn ihr euch damit vor allem gegenseitig Mut zuklatscht – auch okay.

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