Folge des Klimawandels: Rentiere leiden unter kaltem Winter

200.000 Exemplaren im Norden Norwegens droht der Hungertod: Zuviel Schnee behindert die Nahrungssuche der Tiere.

Kämpft mit harten Wetterbedingungen: Rentier in Norwegen Foto: Munier/imago

Das Rote Kreuz im nordnorwegischen Kautokeino bereitete sich am Mittwoch auf einen mehrtägigen Spezialeinsatz vor. Nein, nicht wegen Corona. In Norwegens nördlichster Provinz Troms/Finnmark ist noch keine Coronainfektion registriert worden. Es geht um Rentiere.

Der diesjährige Winter, der im Norden Skandinaviens noch längst nicht vorbei ist, war außergewöhnlich. Große Schneemengen, an manchen Orten so viel wie noch nie seit Beginn der Wetteraufzeichnungen, sowie stetig wechselnde Temperaturen führten dazu, dass sich nun Eis- und Schneeschichten hoch übereinandertürmen. Das macht es den Rentieren unmöglich, sich zu den Flechten durchzugraben, die im Winter ihre hauptsächliche Nahrung sind. Zwar haben sie Fettreserven, die ihnen helfen, ohne neue Nahrung zu überleben. Solche Perioden dürfen jedoch nicht zu lang dauern.

In mehreren der vergangenen Winter mussten aufgrund ähnlicher Wetterverhältnisse, die auch dem Klimawandel zugeschrieben werden, die Samen ihre Herden schon mit Extrafutter versorgen, um sie vor dem Verhungern zu retten. Doch das ist nicht nur teuer, sondern wegen der großen Entfernungen, die dafür zurückgelegt werden müssen, auch extrem zeitaufwendig. Nahezu die gesamte Region ist betroffen, sodass man mit den Tieren auch nicht auf andere Gebiete ausweichen kann. Die ungünstigen Wetterbedingungen halten schon seit Januar an.

Bis zu 200.000 Tieren drohe der Hungertod, warnten Bürgermeister und andere Kommunalvertreter von 34 betroffenen Gemeinden in einem gemeinsamen Appell an die Regierung. Man verstehe zwar, dass sich das Land angesichts der Coronapandemie derzeit in einer schweren Krise befinde. Aber das dürfe nicht dazu führen, dass die verzweifelte Situation der Samen und ihrer Tiere vom Radar verschwinde.

„Jede wache Stunde transportiere ich Futter“

„Ich glaube, die meisten verstehen nicht, was das für uns bedeutet“, sagt Hans Isak Olsen, Bürgermeister von Kautokeino, wo die Hälfte der rund 3.000 EinwohnerInnen direkt von der Rentierzucht abhängig ist. Wenn trächtige Muttertiere hungern, gebe es ein hohes Risiko, dass sie ihre Kälber verlieren: „So ein Winter kann deshalb Auswirkungen über mehrere Jahre haben.“ Zwar hat Oslo mittlerweile finanzielle Unterstützung zugesagt, aber damit ist es nicht getan. Er habe seine Familie seit zwei Monaten nicht mehr gesehen, berichtete der Rentiersame Piera Ailo Sara im norwegischen Rundfunk: „Jede wache Stunde des Tages transportiere ich Futter“.

Auch die RotkreuzhelferInnen bringen mit Schneescootern Futter zu den Herden, die sich teils mehr als 100 Kilometer von der nächsten Straße entfernt aufhalten. Auch das Militär hat Hilfe zugesagt, sie ist aber noch nicht gekommen. Es gibt zumindest eine gute Nachricht: Nachdem sich der März im hohen Norden mit Stürmen und noch mehr Schnee verabschiedet hatte, versprechen die Meteorologen nun „ein paar entspannte Tage“.

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