Die Finanzminister der Eurozone: Deutscher Geiz wird sich rächen

Deutschland ist keine Insel. Uns geht es nur so gut wie unseren Nachbarn. Es ist erschreckend, dass man diese Binsenweisheiten aufschreiben muss.

Portraitfoto von Olaf Scholz

Pressekonferenz mit Finanzminister Scholz nach den Verhandlungen der Eurogruppe Foto: Michael Kappeler/dpa

Zu wenig. Diese beiden Worte fassen das deutsche Versagen zusammen, wenn es um Europa geht. Zwei Zahlen machen deutlich, wie grotesk die Bundesregierung agiert: Die Europäische Zentralbank (EZB) geht davon aus, dass Europa mindestens 1,5 Billionen Euro mobilisieren muss, damit alle Länder genug Geld haben, um die Coronaschäden zu bekämpfen. Doch Deutschland favorisiert ein Paket, das nur rund 500 Milliarden Euro umfasst.

Noch schlimmer: Die deutsche Zahl ist eine Mogelpackung. Denn 200 Milliarden sollen über den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) laufen, der aber vorsieht, dass jedes Land nur Kredite in Höhe von maximal 2 Prozent seiner Wirtschaftsleistung aufnehmen kann. Für Italien wären dies 39 Milliarden Euro, für Spanien 28 Milliarden. Das reicht nicht. Einfach gar nicht.

In Deutschland herrscht immer noch der Irrglaube vor, wir würden den anderen Euroländern etwas schenken, falls wir der Ausgabe von Coronabonds zustimmen. Dies ist gleich dreifach falsch. Erstens: Es wird nichts verschenkt, schon gar nicht deutsches Steuergeld. Es geht um Kredite. Neu wäre nur, dass die EU oder die Eurozone diese Anleihen ausgeben. Zweitens: Die deutsche Wirtschaft kann nur florieren, wenn Europa prosperiert. 59 Prozent unserer Exporte gehen in die EU, davon 35 Prozent in die Eurozone. Drittens: Auch die deutschen Sparer würden profitieren, die jetzt unter den Niedrigzinsen stöhnen.

Die meisten deutschen Sparer dürften noch nicht bemerkt haben, dass ihre Interessen bedroht sind. Doch das macht die Gefahr nicht weniger real. Ohne Coronabonds würde sich die Eurokrise nämlich wiederholen – nur schlimmer. Italien und Spanien würden als potenzielle Pleitekandidaten gelten, sodass die Geldvermögen von dort fliehen würden, um den „sicheren Hafen“ Deutschland anzusteuern. Die Zinsen würden auf ewig unter null dümpeln.

Es ist ganz einfach: Deutschland ist keine Insel. Uns geht es nur so gut wie unseren Nachbarn. Es ist erschreckend, dass man diese Binsenweisheiten überhaupt aufschreiben muss.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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