EU-Streit über Krisenhilfe: Drohende Auferstehung der Troika

Die EU-Finanzminister haben sich im Streit über Hilfen für Corona-Krisenländer verhakt. Niederlande, Finnland und Österreich fordern harte Konditionen.

Mann in medizinischer Schutzkleidung hält Schnorchelmaske in die Kamera

Manche Länder wollen Krisenhilfen an Auflagen knüpfen – etwa Reformen des Gesundheitssystems Foto: dpa

BRÜSSEL taz | Knapp zwei Wochen nach einem verunglückten Video-Gipfel steht die Europäische Union erneut vor einer Zerreißprobe. Am Mittwochmorgen blockierten die Niederlande ein 500 Milliarden Euro schweres EU-Hilfspaket gegen die Wirtschaftskrise. Der Streit war so heftig, dass die Eurogruppe ihre Beratungen abbrechen musste und sich auf Donnerstag vertagte.

„Wir sind uns sehr weit einig geworden, aber nicht ganz“, erklärte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) nach einer 16-stündigen Nachtsitzung. Zuletzt habe es nur noch Streit über die Bedingungen gegeben, zu denen der Eurorettungsfonds ESM Kredite an Krisenländer wie Italien vergeben kann. Die Niederlande, Finnland und Österreich fordern harte Konditionen, ähnlich wie in der Eurokrise.

Die Regierung in Rom lehnt jedoch eine Konditionierung von Hilfen strikt ab. Zusammen mit Spanien, Frankreich und sechs weiteren Euroländern forderte sie, das Hilfspaket auszuweiten und auch über gemeinsame Anleihen, sogenannte Coronabonds, zu sprechen. Dies habe am Ende aber keine Rolle mehr gespielt, so Scholz. Coronabonds lehnt nämlich auch Deutschland ab.

In einem Entwurf der Eurogruppe, der der taz vorliegt, ist tatsächlich nur noch von einem „Wiederaufbau-Fonds“ die Rede. Wie sich dieser finanzieren soll, würde zu einem späteren Zeitpunkt geklärt. Die Coronabonds wären damit erst einmal vom Tisch, aber auch noch nicht völlig ausgeschlossen. Es wäre ein typischer EU-Kompromiss.

„Non-Paper“ mit Sprengkraft

Dass man sich trotzdem nicht einig wurde, lag nach Angaben von EU-Diplomaten vor allem an den Niederlanden. Finanzminister Wopke Hoekstra habe “übermäßige Forderungen“ gestellt, etwa nach Strukturreformen im Gesundheitswesen und Kürzungen bei den Renten. “Ohne die Niederlande hätte es eine Einigung gegeben“, hieß es in Brüssel. Allerdings ist die Sache wohl doch ein wenig komplizierter.

Denn in einem vertraulichen „Non-Paper“, das der taz vorliegt, fordert auch das Bundesfinanzministerium, ESM-Hilfen an Konditionen zu binden. So sollen sich die hilfsbedürftigen Staaten verpflichten, Budgetdisziplin zu üben und die Defizite nach der Krise wieder rasch zurückzufahren. Die Einhaltung dieser Vorgaben soll von den zuständigen EU-Institutionen überwacht werden.

„Wir wollen keine Troika“, beteuerte Scholz am Mittwoch in Berlin. Es mache keinen Sinn, die ESM-Darlehen in der Coronakrise „mit ganz grundsätzlichen Debatten über Rentensysteme, Steuersysteme, Arbeitsmärkte“ zu verbinden. Gleichwohl sei eine „Rückführung der Schulden“ nötig.

Kein Schulterschluss bei Kommission

Wie der Streit ausgeräumt werden kann, ist unklar. Eurogruppenchef Mario Centeno sagte, die Diskussion werde am Donnerstag fortgesetzt. Wenn sich die Eurogruppe auch dann nicht einigt, droht der EU eine schwere Krise. Schon nach dem gescheiterten Gipfel vor zehn Tagen hatten Italien, Spanien und Portugal den Niederlanden und Deutschland vorgeworfen, die nötige Solidarität zu verweigern.

Ärger gibt es auch in der EU-Kommission. Behördenchefin Ursula von der Leyen wollte eigentlich noch vor Ostern einen Plan für den geregelten Ausstieg der EU-Länder aus den Ausgangssperren und Notfallmaßnahmen vorlegen. Doch sie wurde zurückgepfiffen. Es sei noch zu früh für eine Lockerung, hieß es in Brüssel. Zudem sei nicht hinnehmbar, dass einige EU-Länder vorpreschen und so die Krisenländer unter Druck setzen.

Österreich, Tschechien und Dänemark hatten bereits am Dienstag erste Lockerungen angekündigt. Demgegenüber kündigte Frankreich noch schärfere Ausgangssperren an.

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