Streit über Coronabonds: Von der Leyens Wende

Die EU-Kommissionspräsidentin legt eine Kehrtwende hin. Die Gegnerin von Coronabonds führt ein europaweites Kurzarbeitergeld ein.

Vonder Leyen hat die Augen geschlossen.

Augen zu und durch: Ursula von der Leyen Foto: Francois Lenoir/reutes

Besser spät als nie: Ursula von der Leyen scheint endlich zu verstehen, dass sie jetzt EU-Kommissionspräsidentin ist – und nicht mehr CDU-Ministerin in Berlin. In der Coronakrise trat sie bisher auf, als wollte sie das Klischee einer deutschen Provinzpolitikerin übererfüllen. Statt für europäische Solidarität zu werben, ließ von der Leyen erst kürzlich wissen, dass Coronabonds nur ein „Slogan“ seien. Die Resonanz in Italien und Spanien war verheerend. Es war abzusehen, dass von der Leyen jegliche Autorität in ihrem neuen Amt verlieren würde.

Doch von der Leyen weiß, wie man Konflikte übersteht. Sie ist eine begabte Politikerin, die schnell aus Fehlern lernt. Also hat sie eine blitzschnelle Kehrtwende hingelegt. Die EU-Kommission will jetzt ein europaweites Kurzarbeitergeld einführen, das den schwer getroffenen Ländern zugutekommen soll.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Die Länder bekämen das Geld nicht geschenkt. Die EU-Kommission würde ihnen die Mittel nur zu einem sehr günstigen Zinssatz leihen. Dieses Konzept ist wirklich gut und hätte zudem den Vorteil, dass es ein Programm für die ganze EU und nicht nur für die Eurozone wäre. Auch Bulgarien oder Rumänien könnten unterstützt werden, falls sie von den Coronakosten überwältigt werden.

Das Programm würde durch Anleihen der EU finanziert. Es wären also faktisch Coronabonds, die aber nicht so heißen dürfen. Stattdessen spricht von der Leyen etwas wolkig von „Garantien“. Allzu offensichtlich soll nicht werden, dass sie sich selbst korrigiert.

Politisch ungeheuer hilfreich

Das neue EU-Programm soll 100 Milliarden Euro umfassen, was niemals reichen dürfte, um die Coronafolgen in Europa zu bekämpfen. Trotzdem ist das Projekt weit mehr als nichts. Politisch ist es ungeheuer hilfreich, dass sich die EU-Kommission jetzt zu Coronabonds bekennt. Dies dürfte den Druck auf Deutschland erhöhen, endlich europaweiten Programmen zuzustimmen, die die Not in den stark betroffenen Ländern umfassend lindern.

Von der Leyen ist nicht die einzige Spitzenpolitikerin, die in der Coronakrise rasant dazulernen musste. Auch EZB-Chefin Christine Lagarde fiel zunächst mit der wenig kundigen Bemerkung auf, die Zentralbank sei nicht dafür da, die Zinsunterschiede zwischen den Euroländern zu korrigieren. Eine Woche später legte die EZB ein Programm von 750 Milliarden Euro auf, um genau diese Zinsunterschiede einzudämmen. Bleibt also die Hoffnung, dass auch Kanzlerin Merkel eine Wende vollzieht – und den Charme der europäischen Solidarität entdeckt.

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Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).

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