EU erwägt höhere Neuverschuldung: Jetzt fallen die letzten Tabus

Die EU-Kommission will die strengen Schuldenregeln aussetzen. Auch Corona-Bonds stehen zur Diskussion. Am Montag beraten sich die Finanzminister.

Verkäufer mit Mundschutz verkaufen Obst

Italien braucht mehr Geld für seine Wirtschaft. Obst- und Gemüseladen in Neapel Foto: Fabio Sasso/dpa

BRÜSSEL taz | Die EU-Kommission in Brüssel hat vorgeschlagen, den Stabilitätspakt für den Euro auszusetzen. Damit würden die strikten Defizitregeln ausgesetzt, die EU-Staaten könnten sich unbegrenzt neu verschulden. Die bisher einmalige Notmaßnahme muss allerdings noch von den Finanzministern gebilligt werden.

Der Stabilitätspakt sieht vor, dass die Neuverschuldung nicht über 3 Prozent der Wirtschaftsleistung liegen darf. Demnach dürften Länder wie Italien trotz der Corona-Krise keine neuen Kredite aufnehmen.

Schon zu Beginn der Pandemie hatte die Kommission die ungeliebten Regeln gelockert. Nun will sie sie ganz aufheben. „Wir aktivieren die allgemeine Ausweichklausel“, sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. „Der Schritt bedeutet, dass nationale Regierungen so viel Liquidität wie nötig in die Wirtschaft pumpen können.“

Von der Leyen schloss angesichts der dramatischen Lage auch nicht aus, eine Variante der umstrittenen Eurobonds einzuführen. „Wir gucken alle Instrumente an“, sagte sie. „Und das, was hilft, wird eingesetzt.“ Das gelte auch für sogenannte Corona-Bonds. „Wenn sie helfen, wenn sie richtig strukturiert sind, werden sie eingesetzt.“

Ökonomen für Corona-Bonds

Die Ausgabe von Gemeinschaftsanleihen hätte den Vorteil, dass sich damit alle EU-Länder zu denselben, günstigen Bedingungen finanzieren könnten. Demgegenüber gelten für Staatsanleihen ganz unterschiedliche Bedingungen. So muss Italien deutlich mehr für neue Kredite zahlen als Deutschland, das sogar noch mit Negativzinsen belohnt wird.

Unklar ist, ob alle EU-Staaten grünes Licht geben, wenn die Finanzminister am Montagnachmittag über den Vorschlag der Kommission beraten. Bisher standen Deutschland und die Niederlande auf der Bremse. Beim Video-Gipfel der Staats- und Regierungschefs am vergangenen Dienstag war Kanzlerin Angela Merkel der Debatte ausgewichen.

Doch nun muss auch Deutschland Farbe bekennen. Zuletzt hatte Finanzminister Olaf Scholz angekündigt, die „schwarze Null“ im Bundeshaushalt aufgeben zu wollen. Zudem haben sich prominente deutsche Ökonomen für Corona-Bonds ausgesprochen.

Die Länder der Eurozone sollten Gemeinschaftsanleihen in Höhe von 1.000 Milliarden Euro emittieren, fordern Peter Bofinger, Michael Hüther und andere Experten. „Solche Gemeinschaftsanleihen wären ein deutliches Zeichen, dass Europa in der Krise zusammensteht“, schreiben sie. Andernfalls drohe eine neue Eurokrise.

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