Vorbereitungen auf Covid-19-Patienten: Kurzarbeit im Krankenhaus?

Krankenhäuser sollen sich auf mehr Covid-19-Patient*innen vorbereiten. Dass eine Klinik nun Kurzarbeit vorbereitet, scheint nicht recht zu passen.

Ein Stethoskop hängt an einem Haken

Könnten Mediziner*innen in Hamburg das Stethoskop bald an den Nagel hängen? Foto: Jonas Güttler/dpa

HAMBURG taz | Kurzarbeit im Krankenhaus? Das klingt in den Zeiten der Corona-Pandemie, in der alle Ärzt*innen und Pflegekräfte gebraucht werden, um die steigende Zahl der Covid-19-Patient*innen zu behandeln, seltsam. Doch eine Hamburger Klinik bereitet dies Instrument für ihre Angestellten derzeit vor.

Wie die Gewerkschaft Ver.di mitteilt, hat die Schön Klinik in Hamburg-Eilbek dem Betriebsrat einen Entwurf für eine Vereinbarung über Kurzarbeit vorgelegt. Die Klinikgruppe bestätigt das auf Anfrage der taz. Betriebsvereinbarungen zur Kurzarbeit seien in allen Standorten vorgelegt und auch beschlossen worden. Der Betriebsrat in Hamburg sei der einzige, der diese noch nicht unterschrieben habe, sagt Konzernsprecherin Astrid Reining. Die Klinikgruppe plane, das Kurzarbeitgeld aufzustocken, sodass die Mitarbeiter*innen 100 Prozent ihres Gehaltes erhalten, „das ist in der deutschen Wirtschaft die absolute Ausnahme!“

Die Klinikgruppe betreibt nach eigenen Angaben Krankenhäuser an 26 Standorten in Großbritannien und Deutschland. „Viele Krankenhäuser stehen angesichts der derzeitigen Lage vor großen finanziellen Herausforderungen und geraten in Liquiditätsengpässe“, sagt Schön-Klinik-Sprecherin Astrid Reining. Kurzarbeit sei eine Maßnahme, um diese Engpässe zumindest teilweise zu beheben. Sie sei aber noch nicht angemeldet, sondern nur vorbereitet worden.

„Es geht nicht, dass dieses Unternehmen den Gewinn für sich privatisiert und mögliche Verluste vergesellschaftet“, findet Hilke Stein, Fachbereichsleiterin für das Gesundheitswesen bei Ver.di Hamburg. Es sei skandalös, dass die Klinik überhaupt über Kurzarbeit nachdenke, „während klar ist, dass medizinisches Personal speziell geschult werden muss, damit es die Krise bewältigen kann.“

Appell des Bundesgesundheitsministers

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte die Kliniken schon am 13. März gebeten, auf planbare Operationen zu verzichten, um Bettenkapazitäten zu schaffen und Personal für den Ernstfall zu schulen. Er kündigte an, Boni für zusätzliche Intensivbetten zahlen zu wollen, die Bundesregierung werde alle entstandenen wirtschaftlichen Kosten ausgleichen. Der entsprechende, seit Samstag vorliegende Gesetzentwurf sorgte jedoch für harsche Kritik, auch von den Schön Kliniken.

Offenbar kommen auch nicht alle Krankenhäuser Spahns Wunsch nach OP-Verschiebungen nach. So beschwerte sich eine Pflegekraft der Hamburger Endo-Klinik, die zum Helios-Konzern gehört, in der Hamburger Morgenpost, in der Klinik würde „business as usual“ betrieben. In einem Schreiben an die Mitarbeiter*innen soll die Geschäftsführung das damit gerechtfertigt haben, dass die Klinik als „orthopädisches Elektivhaus“ nicht Bestandteil der Katastrophenplanung der Stadt sei.

Auch die Hamburger Asklepios-Kliniken fahren elektive Operationen offenbar nicht komplett herunter. In einem Schreiben an Mitarbeiter*innen vom 16. März, das der taz vorliegt, heißt es, elektiven Patient*innen werde nicht pauschal abgesagt. Gemäß der Aufforderung der Bundesregierung würden die internistischen Intensivkapazitäten sukzessiv geräumt. Abgesagt würden nur nicht notwendige elektive Operationen, die absehbar eine intensivpflichtige Betreuung nach sich ziehen. Bei Ausweitung der Lage werde man die Beatmungskapazitäten ausbauen und zusätzliche Intensivbetten bereitstellen.

Kai Hankeln, Vorstandschef des Asklepios Konzerns, reagierte auf Spahns ersten Gesetzentwurf mit Unverständnis dafür, dass der Minister „in der historischen Krise nicht alles daransetzt, das Gesundheitssystem in Deutschland sturmfest zu machen“. Kurzarbeit, Massenentlassungen und Insolvenzen seien mit dem Entwurf in vielen Krankenhäusern unabwendbar.

Auch Jörn Wessel, Vorsitzender der Hamburgischen Krankenhausgesellschaft, in der 35 öffentliche und private Kliniken Hamburgs zusammengeschlossen sind, kritisierte: „Eine erbsenzählerische, kleinkrämerische Erweiterung eines an sich schon dysfunktionalen Finanzierungssystems ist das Gegenteil von dem, was Krankenhäuser jetzt brauchen.“

Bund und Länder haben inzwischen Änderungen am Gesetzentwurf vorgenommen, der am heutigen Montag ins Bundeskabinett kommt. Die Deutsche Presse-Agentur berichtet unter Berufung auf Regierungskreise, Kliniken sollten für jedes Bett, das wegen der Verschiebung planbarer Behandlungen erst einmal frei bleibt, 560 Euro pro Tag erhalten. Ursprünglich waren 410 bis 540 Euro je nach Klinikgröße geplant gewesen. Für jede neue intensivmedizinische Einheit mit Beatmungsmaschine sollen die Kliniken 50.000 statt wie zunächst geplant 30.000 Euro erhalten. Befristet für acht Wochen soll ein Zuschlag je Patient in Höhe von 50 Euro gezahlt werden.

In der Eilbeker Schön Klinik scheint die „finanzielle Herausforderung“ nicht deshalb zu bestehen, weil man freiwillig auf Operationen verzichtete. Patient*innen hätten in den letzten Tagen viele Operationen und Behandlungen abgesagt, so die Sprecherin. Auf die Frage, ob in Hamburg auf elektive Operationen und Aufnahmen verzichtet werde, antwortet sie, man halte sich an die Vorgaben und Richtlinien der Standorte.

Hamburg spricht nur Empfehlung aus

Doch genau die gibt es in Hamburg nicht. Auf planbare Operationen zu verzichten, ist hier lediglich eine Empfehlung. Anders beispielsweise in Schleswig-Holstein, wo ein entsprechender Erlass gilt.

„Mein Eindruck ist, dass die Kliniken insgesamt in Hamburg ihre elektiven Eingriffe bislang zögerlich herunterfahren“, sagt Hilke Stein von Ver.di. Ihrer Meinung nach müsse das konsequenter passieren, damit sich das Personal auf das vorbereiten kann, was da kommt.

Laut Schön-Klinik-Sprecherin Reining arbeitet die Klinik in Eilbek gerade daran, ihre Intensivkapazitäten auszubauen, sie spricht von einer Vervierfachung der Bettenzahl auf der interdisziplinären Intensivstation von acht auf 32. Außerdem werde Personal umgeschichtet und im Umgang mit Beatmungsgeräten geschult.

Die Vereinbarung zur Kurzarbeit betreffe insbesondere Mitarbeiter*innen aus den medizintechnischen und administrativen Bereichen, beispielsweise der Cafeteria. Prinzipiell könnten aber alle Mitarbeiter*innen, also auch medizinisches Personal, von Kurzarbeit betroffen sein. „Wir werden diese Entscheidungen, wen es letztlich betrifft, erst dann treffen können, wenn es soweit sein sollte“, sagt Reining.

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