Weinanbau im wärmeren Zeiten: Quer denken, quer kultivieren

Der Klimawandel fordert ein Umdenken beim Weinanbau in Steillagen. Auf den hessischen Staatsweingütern greift man auf alte Techniken zurück.

Eine Kirche, ein WEinberg und der Rhein

Welterbe: Kulturlandschaft Mittleres Rheintal mit Blick auf Assmannshausen Foto: Torsten Krüger/mauritius images

ASSMANNSHAUSEN taz | An den Steilhängen des Höllenbergs, direkt oberhalb der für ihren Spätburgunder berühmten Staatsdomäne Assmannshausen, sind seit Tagen Bagger und Planierraupen unterwegs. In einer der besten Weinlagen des Rheingaus wird schweres Gerät eingesetzt, um eine neue Richtung vorzugeben. Auf 3 Hektar sollen hier neue Reben quer zum Hang und nicht wie zuvor entlang der Falllinien, also von oben nach unten, kultiviert werden. Ziel ist, den Weinanbau trotz Klimawandel zu retten.

Die Hänge sind steil, sehr steil. Bis zu 65 Prozent Gefälle. Mehr als 100.000 Euro lassen sich die hessischen Staatsweingüter den Umbau kosten. „Es ist die einzige Möglichkeit, die Steillagen für den Weinbau zu erhalten“, sagt Geschäftsführer Dieter Greiner. Jahrhunderte hat der Weinbau in den Steillagen die Kulturlandschaften von Mosel und Rhein geprägt. Klimawandel und Kostendruck bedrohen sie nun. Viele Flächen liegen bereits brach und veröden, andere lassen sich kaum noch wirtschaftlich nutzen.

Ilona Leyer, Ökologieprofessorin an der Hochschule Geisenheim, zeigt beim Ortstermin auf dem Höllenberg historische Fotos der Weinberge bei Rüdesheim. Darauf sind Tausende kleine Terrassen zu sehen, schon damals quer zum Hang angelegt, mit Trockenmauern gesichert. Zur aufwendigen Pflege und Ernte per Hand gab es keine Alternative. Doch mit dem Einzug von Traktoren, Maschinen und Seilwinden verschwanden die Terrassen mit den Trockenmauern, deren Unterhalt heute niemand mehr bezahlen könnte. Inzwischen verlaufen auch in Rüdesheim wie fast überall an den Steilhängen von Rhein, Mosel und Nahe die Reihen senkrecht, auf den Falllinien der Hänge ins Tal.

200 Tonnen Erdreich auf einen Rutsch

Doch der Klimawandel schlägt Jahr für Jahr heftiger zu. „Innerhalb einer Stunde fallen 60 bis 70 Liter Regenwasser“, erinnert sich Stefan Seyffardt, Bereichsleiter Weinbau. Ein Stark­regen am 9. Juni 2018 habe allein am Höllenberg 200 Tonnen Erdreich mitsamt den Reben ins Tal geschwemmt. Den violetten Phyllitschiefer habe man mit viel Aufwand wieder hinaufschaffen müssen. Nur die damals gerade frisch angelegten Querterrassen hätten gehalten.

Vor zehn Jahren haben QuerdenkerInnen der Universität Geisenheim und die drei Partnerweingüter das Projekt begonnen. In Assmannshausen, Bacharach und Lorch schoben sie parallel zu den Höhenlinien Böschungen auf und pflanzten die Weinstöcke an den Rand. Dabei haben sie einiges gelernt. So werden die Böschungen heute mit einer Mischung aus Saatgut und Zellulose besprüht, um sie gleich zu stabilisieren. „Wir nehmen Samen von Wildpflanzen der Region“, betont Ökologin Leyer: „Sie sind an die klimatischen Verhältnisse angepasst und passen zu den Insekten, die hier vorkommen.“

Im Mai und Juni blühen in den Weinbergen am Höllenberg jetzt Hundskamille, Wilde Malve und Natternkopf. „Es ist ein einziges Gesumme“, freut sich Geschäftsführer Greiner, denn mit den Blüten kommen auch die Bestäuber.

Aus weniger wird mehr

Auf die Querterrassen passen 30 Prozent weniger Rebstöcke. Doch der Ertrag pro Stock ist höher. „Die Pflanzen sind besser versorgt, weil das Regenwasser nicht an ihnen vorbei ins Tal stürzt und die Erde mitreißt“, sagt Seyffardt.

Die Bearbeitung quer zum Hang geht leichter und sicherer von der Hand. So sind keine Seilwinden nötig, um Gerät und Arbeitskräfte zu sichern. Außerdem bleiben die Böschungen von Herbiziden verschont. „Wir setzen auf diesen Umbau und wollen mit dieser guten Praxis vorangehen“, betont Greiner und bedauert, dass bislang so wenige andere Winzer ihre Steillagen umbauen. „Die scheuen die Investitionskosten“, vermutet er, außerdem sei die „staatliche Förderkulisse nicht stimmig“.

Für die Querterrassierung gibt es einmalig einen nicht kostendeckenden Zuschuss; die jährliche Förderung aus EU-Mitteln verringert sich sogar, weil nicht die begrünten Böschungen, sondern allein die Flächen der Weinstöcke bezuschusst werden. „Hier muss die Förderung angepasst werden und darf nicht mit der Gießkanne verteilt werden“, so Greiner.

Unabhängig davon hält er die Staatsweingüter auf Kurs. Alle zwei Jahre werden ein paar Hektar quer gepflügt, mit Böschungen, Wildblumen und neuen Weinstöcken versehen. „So sind sie ökonomisch und ökologisch zukunftsfähig“, sagt der Geschäftsführer des mit 255 Hektar größten Weinbaubetriebs Deutschlands.

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