Vorwahlen in den USA: Bernie bräuchte ein Wunder

Wenn Sanders beim TV-Duell nicht punktet, sollte er aufgeben. Bidens Chancen, Trump zu besiegen, sind mau.

Der amerikanische Präsidentschaftskandidat Bernie Sanders spricht in ein Mikrophon

Bernie Sanders in St Louis am 9. März Foto: Jeff Roberson/ap

Das dürfte es für Bernie Sanders gewesen sein. Wenn kein Wunder geschieht, wird nicht der Senator aus Vermont, sondern Ex-Vizepräsident Joe Biden bei den US-Wahlen im November gegen Donald Trump antreten. Am bittersten für Sanders wiegt seine Niederlage in Michigan. Nicht nur, weil er den Bundesstaat noch vor vier Jahren gegen Hillary Clinton hatte gewinnen können.

Michigan hat relativ viele Delegierte zu vergeben, aber vor allem: Es ist einer der wichtigen Swing States, die im November die Wahl entscheiden – und genau jene Art von Wählerschaft, bei der sich Sanders am stärksten wähnte. Sanders kann sich jetzt hinstellen und alle möglichen Faktoren für seine Niederlagenserie verantwortlich machen: die Medien, das Establishment, den Einfluss des großen Geldes auf die Entscheidungen. Aber das ist ein bisschen albern.

Wenn einer in den USA als „demokratischer Sozialist“ antritt, weiß er, dass da gewaltige Hürden im Weg stehen – und kann sie entweder überwinden, indem er eine Mehrheit der Wähler*innen überzeugt, oder er kann es eben nicht. Sanders konnte nicht. Dabei spielte ihm die Weltlage eigentlich in die Hände.

Der Umgang mit dem Coronavirus offenbart alle Schwächen und Ungerechtigkeiten des US-amerikanischen Gesundheitssystems, die Sanders seit langer Zeit lauter anprangert als alle anderen, und das zu verändern Kernbereich seiner Programmatik ist. Aber wer in den USA Kandidat werden will, muss Allianzen zwischen verschiedenen Wählergruppen bilden – und da hat sich bei Sanders seit 2016 nicht viel getan.

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Es sind nach wie vor die jungen weißen Progressiven, die den Kern seiner Basis ausmachen. Bei der Schwarzen Wähler*innenschaft bekommt er keinen Fuß auf den Boden, und die Alten bevorzugen offensichtlich Stabilität gegenüber „Revolution“. Mit Joe Biden allerdings wird einer im November versuchen, Trump nach nur einer Amtszeit aus dem Weißen Haus zu vertreiben, von dem sich überhaupt niemand etwas erwartet, außer dass er nicht Trump ist.

Programmatisch ist es lau, was Biden anzubieten hat, rhetorisch schwankt er zwischen Langeweile und Totalausfall. „Sleepy Joe“ nennt Trump ihn auf Twitter. Biden bietet Trump unglaublich viele Angriffsflächen.

Jene von Trump gewünschten ukrainischen Ermittlungen gegen Bidens Sohn Hunter wegen Korruption dürften im Duell Trump vs. Biden eine große Rolle spielen, seine frühere Unterstützung des Irakkriegs, 30 Jahre alte Plagiatsvorwürfe, als Biden damals ausführliche Passagen aus Reden des damaligen britischen Labour-Führers übernahm und damit aufflog. Und dennoch: Es liegt jetzt an Sanders, als progressiver Politiker zu handeln, nicht als Grumpy Old Man.

Er kann noch versuchen, während der TV-Debatte mit Biden am kommenden Sonntag das Ruder herumzureißen. Es wird extrem schwer für ihn. Nächste Woche wählen vier Bundesstaaten, darunter die beiden wichtigen Swing States Florida und Ohio. In beiden liegt Biden haushoch vorne. Wenn das so kommt, sollte Sanders aufgeben. Und alles tun, damit seine Basis mit dafür sorgt, Trump im November aus dem Amt zu wählen.

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Jahrgang 1965, seit 1994 in der taz-Auslandsredaktion. Spezialgebiete USA, Lateinamerika, Menschenrechte. 2000 bis 2012 Mitglied im Vorstand der taz-Genossenschaft, seit Juli 2023 im Moderationsteam des taz-Podcasts Bundestalk. In seiner Freizeit aktiv bei www.geschichte-hat-zukunft.org

Am 3. November 2020 haben die USA einen neuen Präsidenten gewählt: Der Demokrat Joe Biden, langjähriger Senator und von 2009 bis 2017 Vize unter Barack Obama, hat sich gegen Amtsinhaber Donald Trump durchgesetzt.

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