Masken für alle: sinnvoll – aber auch möglich?

Anders als lange kommuniziert hilft das Tragen einfacher Masken sehr wohl gegen die Ausbreitung des Coronavirus – vor allem, wenn sie in der Öffentlichkeit jeder trägt

Bald ein Standard-Anblick auch auf deutschen Straßen? Stoffmaske mit Träger in Berlin Foto: Karsten Thielker

Von Malte Kreutzfeldt
und Mareike Andert

In Asien sind Gesichtsmasken schon lange allgegenwärtig: Auf Reisen trugen viele Menschen dort schon immer Einwegmasken, um sich und andere vor Ansteckungen zu schützen; seit Ausbruch der Corona-Pandemie sieht man dort in vielen Städten praktisch keinen Menschen mehr ohne Maske auf der Straße.

In Europa hielt man das lange für übertrieben. Hier galt zunächst das Motto: Einfache Gesichtsmasken aus Papier (meist als OP-Masken oder chirurgische Masken bezeichnet) sind als Virenschutz ungeeignet. Auch Deutschlands oberster Corona-Erklärer, der Virologe Christian Drosten von der Berliner Charité, verkündete in seinem NDR-Podcast Ende Februar mit großer Bestimmtheit: „Für dieses Tragen von Atemschutzmasken in der normalen Umgebung durch den Normalbürger – da gibt es keine wissenschaftliche Evidenz, dass das irgendeinen Nutzen hat oder irgendeinen Schutz bietet.“

Mit der Zeit hat Drosten seine Position verändert: Man könne erwarten, dass „eine Infektionsausbreitung durch diese Masken im Nahbereich – und ich sage wirklich bewusst nochmal dazu: nur im Nahbereich – etwas verringert wird“, sagte er am 17. März. Drosten geht davon aus, dass Masken vor allem helfen, wenn die Infizierten sie tragen. Weil man ja aber nicht wisse, wer infiziert ist, könne es durchaus sinnvoll sein, wenn alle in der Öffentlichkeit Masken tragen würden – solange dadurch andere Schutzmaßnahmen, etwa Händewaschen, nicht vernachlässigt werden

Der Berliner Virologe geht allerdings weiter davon aus, dass einfache Masken im Gegensatz zu aufwendigeren Atemmasken mit Filtern (bekannt unter der Bezeichnung FFP3 oder N95) Gesunde, die sie tragen, kaum vor einer Infektion schützen. Es gibt aber auch Studien, die zu anderen Ergebnissen kommen: Die einfachen Masken wirken demnach zwar weniger gut als die Atemschutzmasken mit Filter, die über 99 Prozent der Viren abhalten können; sie verhindern aber immer noch 50 bis 90 Prozent der Infektionen, wenn sie richtig getragen werden.

Der Virologe Alexander Kekulé aus Halle hält es darum für sinnvoll, dass in er nächsten Zeit jeder in der Öffentlichkeit einen solchen einfachen Mund-Nase-Schutz trägt. „Der schützt auf jeden Fall andere, und es gibt auch neuere Daten, dass die Menschen selber dadurch geschützt werden“, sagte er im MDR. Bestätigt werde diese Strategie etwa durch die Entwicklung in Hongkong, wo Masken sehr verbreitet sind und die Ausbreitung des Coronavirus sehr viel langsamer verläuft als in Europa.

Und auch Drosten freundet sich angesichts der weiteren Ausbreitung des Virus allmählich mit dem Gedanken an, dass Masken zu tragen in der Öffentlichkeit eine gute Idee sein könnte. Wenn dafür aber medizinische Masken benutzt würden, sieht er ein neues Problem. „Wenn alle das jetzt machen würden“, sagte er, „dann gäbe es nicht mehr genug Masken am Markt für das medizinische Personal.“

Dort gibt es bereits jetzt Probleme: In vielen Arztpraxen wird Schutzausrüstung knapp, teilte die Kassenärztliche Bundesvereinigung am Donnerstag mit; der Nachschub an Atemmasken reiche derzeit für zwei Wochen.

Der Nachschub kommt offenbar vor allem aus China. Dort werde rund um die Uhr gearbeitet, berichtet Christof Nagel vom Medizingroßhandel Nagel und Köpfe, der derzeit 100.000 OP-Masken am Tag ausliefert. Dort neue Produktionsstraßen aufzubauen sei sicher möglich, „aber nicht von heute auf morgen“, meint Nagel – zumal auch das Rohmaterial knapp sei.

Als Alternative werden darum selbst gemachte Masken aus dichtem Baumwollstoff populärer. Zahlreiche Prominente posieren damit auf Twitter unter dem Hashtag #maskeauf. Eine niederländische Studie hat gezeigt, dass Baumwollmasken ähnlich wirksam sind wie einfache OP-Masken: Sie schützen gut, wenn Kranke sie tragen, und zumindest etwas, wenn Gesunde sie tragen. Auch Virologe Drosten hält Stoffmasken – oder auch Schals und Halstücher, die vor den Mund gezogen werden – für sinnvoll. „Diese großen Tröpfchen werden dann abgefangen“, sagte er. „Da lässt sich nichts dran diskutieren.“

Und solche Stoffmasken haben nicht nur den Vorteil, dass sie gewaschen und wiederverwendet werden könne; es gibt zudem auch in Deutschland zahlreiche große und auch sehr kleine Firmen, die in die Produktion eingestiegen sind.

So produziert etwa der schwäbische Bekleidungshersteller Trigema in dieser Woche 80.000 Baumwollmasken, auch der Wäschehersteller Mey ist eingestiegen. Nach Angaben des Verbands der Textil- und Modeindustrie vernetzen sich zudem Firmen, um Schutzausrüstung herstellen zu können. Ob die Produkte auch in medizinischen Einrichtungen eingesetzt werden, komme auf die Zertifizierung der staatlichen Behörden an.

Doch auch Firmen, die sonst ganz andere Produkte herstellen, beteiligen sich – etwa der niedersächsiche Elektronikindustriezulieferer Müller Ahlhorn. „Wir haben festgestellt, dass es zu Versorgungsengpässen kommt, da Masken nicht in Deutschland produziert werden“, sagt Geschäftsführer Michael Müller.

Der Produktionsprozess für Masken und ihre sonstige Fertigung von Batterieseparatorfolien ähnelten sich; beide bestehen aus einem mikroporösen Vlies. Die Masken müssen wie die Membranen von Rollenware geschnitten, gestanzt und ultraschallverschweißt werden, erklärt er. „Unsere Leute kennen den Prozess also.“

„Know-how und Stoff sind ja da“

Henrik Roth, Geschäftsführer BeWooden

Müller will nun in zwei bis drei neue Anlagen und die Zertifizierung der Masken für den medizinischen Einsatz investieren. Für zwei bis drei Anlagen zur Maskenproduktion könne er neben der normalen Produktion Platz schaffen, meint Müller. In vier bis fünf Wochen könnten dann pro Anlage 150.000 Masken gefertigt werden.

Beim deutsch-tschechischen

Accessoire-Hersteller Be­Woo­den läuft die Maskenproduktion dagegen nicht zusätzlich, sondern statt ihrer normalen Arbeit. „Der Handel bricht uns weg, und wir mussten überlegen, wie wir glimpflich aus der Situation rauskommen“, sagt Henrik Roth, Mitgründer und Geschäftsführer des Start-ups, das Holzaccessoires in Handarbeit fertigt.

Als in Tschechien der Mundschutz Pflicht wurde, sei der Bedarf plötzlich groß gewesen. „Know-how und Stoff sind ja da“, erzählt Roth. Diese Hilfe im Kampf gegen Corona ist gleichzeitig Selbsthilfe. „So können wir unsere Mitarbeiter weiter bezahlen.“ Seit Montag zieht BeWooden von Frankfurt aus nun zusätzlich gemeinsam mit dem Mannheimer Sockenhersteller von Jungfeld einen Vertrieb auf. Lokale deutsche Manufakturen, die arbeitslos sind, sollen ihren Betrieb auf Maskenproduktion umstellen. Bis jetzt ist eine Manufaktur aus Frankfurt dabei, mit weiteren sei er im Gespräch.

Momentan können sie so 1.000 Masken am Tag herstellen. Ohne Werbung verkauften sie am Dienstag, dem ersten Tag, bereits 500 Masken. Kunden seien Privatleute, aber auch Medizintechnikunternehmen oder Krankenhäuser. Die Baumwollmasken von BeWooden sind bei 95 Grad waschbar, können aber nicht für den intensivmedizinischen Bereich genutzt werden. Schutz gegen Tröpfchen bieten sie trotzdem.