Rennen um CDU-Parteivorsitz: Der Ton wird rauer

Der Wettlauf um den CDU-Parteivorsitz läuft auf Hochtouren. Vor allem einer versucht sich zu profilieren: Norbert Röttgen.

Norbert Röttgen vor der Presse

Norbert Röttgen will CDU-Chef werden, hat aber nur Außenseiterchancen Foto: Michael Kappeler/dpa

Norbert Röttgen, der Außenseiter unter den Bewerbern um den CDU-Parteivorsitz, ist bislang nicht dadurch aufgefallen, sich für den Austausch zwischen Ost und West einzusetzen. Als gebürtiger Rheinländer und Außenpolitiker ist dies gewiss nicht sein Steckenpferd. Wohl auch deshalb hat er sich nun Verstärkung geholt. Christine Lieberknecht, frühere Thüringer Ministerpräsidentin, sitzt an diesem Dienstagmittag in einem Saal des Bundestags, um über Ost und West zu sprechen. Und darüber, wo die CDU ihre Grenzen nach links und rechts ziehen soll.

Es ist eine Frage, die für die CDU spätestens seit der politischen Krise von Erfurt zur Richtungsentscheidung der nächsten Jahre werden dürfte. Ist der Unvereinbarkeitsbeschluss, der eine Zusammenarbeit mit der Linken ausschließt, angesichts immer schwierigerer Mehrheitsverhältnisse noch zeitgemäß? Und wie ist es mit der konsequenten Absage an eine wie auch immer geartete Zusammenarbeit mit der AfD? Über diese ungelöste Richtungsentscheidung ist bereits Annegret Kramp-Karrenbauer gestürzt. Viel Arbeit für den neuen CDU-Chef, wer auch immer es wird.

Beim Auftritt mit Lieberknecht versucht sich Röttgen an einem Sowohl-als-auch. Der CDU-Politiker spricht sich klar dafür aus, am Unvereinbarkeitsbeschluss seiner Partei festzuhalten. Die Grenzen nach rechts wie links außen müssten aber jeweils mit anderen Argumenten gezogen werden.

Unvereinbarkeitsbeschluss mit „föderaler Gelassenheit“

Lieberknecht sieht es ähnlich: Der Unvereinbarkeitsbeschluss sei als „Fingerzeig“ richtig. Doch spricht sie sich im Hinblick auf die Linken für mehr „föderale Gelassenheit“ aus. Mit Blick auf Thüringen zählt sie einige Beispiele auf, wie die Linke dort verankert sei. „Die Linke ist eine Kraft, die mitten im Zen­trum von Thüringen steht.“ Daher brauche es einen pragmatischen Umgang. „Wir machen Politik nicht nach Beschlüssen“, sagt auch Röttgen. Es dürfte interessant sein, ob Röttgen als CDU-Vorsitzender hier also einen Wandel einleiten würde – vorausgesetzt, er würde gewählt. Die aktuelle CDU-Spitze hält jedenfalls eisern an dem Beschluss fest.

Auch bei einem anderen aktuellen Thema wird der Wettkampf um dem CDU-Parteivorsitz deutlich: der Flüchtlingspolitik. Dabei griff Röttgen seinen Konkurrenten Friedrich Merz ungewohnt harsch an. Angesichts des zunehmenden Mi­grantenandrangs an der türkisch-griechischen Grenze hatte Merz im MDR gefordert, den Flüchtlingen ein Signal zu geben: „Es hat keinen Sinn, nach Deutschland zu kommen.“

Ein Satz, den Röttgen ausein­anderpflückte. „Bei allem Respekt, den ich vor Friedrich Merz habe: Diese Aussage ist doppelt falsch, im Ton und in der Sache“, sagte Röttgen dem Handelsblatt. Wir haben im Grundgesetz ein Asylversprechen verankert, dass wir diejenigen aufnehmen, die verfolgt werden.“ Dazu verpflichte auch die Genfer Flüchtlingskonvention, argumentierte Röttgen. Der Ton sei falsch, weil er nicht die Empathie ausdrücke, „die wir haben, wenn Menschen vor Bomben fliehen“.

Röttgen schneidet in Umfragen schlecht ab

Dass die Debatte um die Flüchtlingspolitik die Union auch jenseits des Rennens um den CDU-Vorsitz umtreibt, zeigte sich auch in einem jüngst bekannt gewordenen Disput zwischen Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus und Innenminister Horst Seehofer (CSU). Als es um die Aufnahme minderjähriger Flüchtlinge durch Deutschland ging, soll Brinkhaus sowohl Merkel als auch Seehofer laut Spiegel entgegengeworfen haben: „Ihr habt nichts gelernt, die Leute wollen keine Flüchtlinge.“

Allein diese Sequenz zeigt, dass die Nervosität in der Union im Allgemeinen und der CDU im Speziellen aktuell groß ist. Und wie viel Arbeit auf den neuen Vorsitzenden wartet. Der Ton im ­Rennen um den Parteivorsitz dürfte bis zum Bundesparteitag Ende April noch härter werden. Röttgens Angriffsmodus dürfte auch an seinen schlechten Umfragewerten liegen: Laut jüngsten Erhebungen der Forschungsgruppe Wahlen sprechen sich nur 10 Prozent der Unionsanhänger für einen CDU-Chef Röttgen aus. Merz (40 Prozent) und Armin Laschet (27 Prozent) liegen hier deutlich vorne. Auch in der Gesamtbevölkerung sind die Aussichten für Röttgen nicht rosiger.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.