Patchworkfamilien in Corona-Krise: Status: Es ist kompliziert

Für Patchworkfamilien ist die Corona-Krise eine besondere Herausforderung. Sollen die Kinder weiterhin zwischen ihren Elternteilen pendeln?

Ein Kind macht zu Hause Schulaufgaben

Von einem potenziellen Infektionsherd zum anderen? Foto: Antti Aimo-Koivisto/dpa

In einer individualisierten Gesellschaft stellt die Corona-Krise die Menschen vor ebenso individualisierte wie zahlreiche Herausforderungen: Die Großeltern können nicht besucht werden und nicht zur Betreuung der Kinder einspringen; die betreute Lebenspartnerin bleibt isoliert im Pflegeheim, bräuchte dringend eine Umarmung – und einen Skype-Kurs; die 18-jährige Tochter, sonst zumeist bei ihrem Freund, bleibt nun in der Wohnung, weil die Mutter des Freundes positiv getestet ist.

Ein Aspekt, der die soziale Distanzierung in ihren vielfältigen Bedeutungen betrifft, ist die Situation von Patchworkfamilien: Sollen Kinder, die – etwa im wöchentlichen Wechsel – zwischen ihren Elternteilen pendeln, diese Transfers weiter auf sich nehmen?

Also vom einen zum anderen potenziellen Infektionsherd? Darf man sie zwingen, darauf zu verzichten? Ist es gerecht, einem Elternteil die ganze Betreuung aufzubürden? Den liebenden Vater oder die liebende Mutter vom Kind oder den Kindern auf Zeit zu trennen? Und wer soll das alles entscheiden?

Am wichtigsten sei, sagt Dr. Heidemarie Arnhold vom Arbeitskreis Neue Erziehung e. V., dass die Eltern sich verständigten. Und dass sie ihre Kinder in die Entscheidung, ob der Wechsel fortgesetzt oder ausgesetzt werde, mit einbezögen. Das sei mit Kindern ab der Grundschule möglich. „Alle Argumente für und wider gehören auf den Tisch“, sagt Arnhold – wobei sich die Erwachsenen natürlich auch vorher schon besprechen könnten.

Chance für Demokratie

Entscheidend sei, nicht zu verängstigen, sondern die Krise auch auch als Chance zu begreifen, um zu vermitteln, wie wichtige Entscheidungen demokratisch und verantwortungsbewusst ausgehandelt werden könnten.

Wenn andere, zum Beispiel in einem der Haushalte lebende Großeltern, durch den Wechsel gefährdet würden, könnten virtuelle Begegnungen eine Lösung sein, etwa eine morgendliche Videokonferenz oder Spiele im Internet. „Mit Fantasie an die Herausforderung rangehen“, rät Dr. Arnhold, und immer darauf zu achten, dass das Kind sich sicher fühlen kann.

Dass in einer Ausnahmesituation auch wieder „der ganze Rattenschwanz“ der Trennungsgeschichte aufs Tablett kommen könne, sei verständlich, aber die Eltern hätten die Pflicht, „Modell“ zu sein.

Vom Bundesgesundheits- und vom Bundesfamilienministerium kam bis Redaktionsschluss keine Stellungnahme; ein Grund mehr, die Familie als Hort der rationalen, liebevollen und demokratischen Entscheidungsfindung zu reetablieren – und warum nicht eben gerade: die Patchworkfamilie.

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