Kampf gegen Corona: Stillstand für Europa

So schnell wie möglich muss das öffentliche Leben noch weiter eingeschränkt werden. In gut einer Woche hat Deutschland italienische Zustände.

Eine leere Autobahn

Die Autobahn in Brandenburg ist komplett leer, nachdem Polen die Grenzen geschlossen hat Foto: Patrick Pleul/dpa

Kneipen müssen schließen, Veranstaltungen sind abgesagt, bundesweit werden in den nächsten zwei Tagen so gut wie alle Schulen und Kitas ihre Pforten schließen. Wer gestern noch dachte, die Ausbreitung des Coronavirus betreffe vor allem das ferne China mit seinem fragwürdigem Regime oder ein so chaotisch geführtes Land wie Italien, dürfte jetzt eines Besseren belehrt werden. Deutschland erlebt die drastischsten Einschnitte seit der Ölkrise von 1973. Trotzdem reicht es noch immer nicht.

Alle jetzt getroffenen Maßnahmen werden sich in den Fallzahlen frühestens in neun Tagen widerspiegeln. So lange dauert es, bis jemand, der sich heute ansteckt, krank wird und ein positives Laborergebnis zurückbekommt. Vorläufig werden wir also weiter einen steilen Anstieg der Fallzahlen sehen. Bislang zählten wir alle zwei bis drei Tage eine Verdopplung.

Bei aktuell rund 5.000 bestätigten Corona-Fällen in Deutschland wird die Zahl dann auf über 40.000* steigen, was ziemlich genau italienischen Verhältnissen entspricht. Deutschland mag zwar über einige Tausend Intensivpflegebetten mehr verfügen als Italien, doch schon beim medizinischen Personal könnte es ähnlich eng werden. Denn Ärzte und Pflegekräfte gab es schon vor dieser Krise zu wenig. Auch das deutsche Gesundheitssystem wird in den nächsten Wochen dramatisch an seine Grenzen stoßen.

Um es nicht noch weiter zu überfordern, bedarf es daher dringend weiterer drastischer Maßnahmen. Der private Reiseverkehr sollte komplett eingestellt, der Nahverkehr auf ein Minimum reduziert werden. Fabriken und Betriebe, die für die Grundversorgung in den kommenden Wochen nicht dringend benötigt werden, sowie Geschäfte sollten schließen, Restaurants nur noch der Außerhausverkauf erlaubt werden.

Damit die Versorgung nicht zusammenbricht, müssen Lebensmittelgeschäfte, Apotheken und Arztpraxen weiter geöffnet bleiben. Ansonsten muss eine weitgehende Ausgangssperre, wie es jetzt schon in Italien und Spanien der Fall ist, verhängt werden. Vielleicht brauchen wir nicht gleich chinesische Verhältnisse, wo Ordnungskräfte Menschen auf der Straße regelrecht gejagt haben. Trotzdem stellen derartige Maßnahmen einen massiven Eingriff in unsere Persönlichkeitsrechte dar.

Infos über das Corona-Virus in Leichter Sprache gibt es auf https://www.bundesregierung.de/breg-de/leichte-sprache/corona-virus

So oder so werden wir in den nächsten Wochen wirtschaftliche Einbußen erleben, und wir werden auf liebgewonnene Gewohnheiten verzichten müssen. All das dient keineswegs nur dazu, alte und kranke Menschen, zu schützen, sondern uns alle. Wird die Ausbreitung des Virus in den kommenden Wochen nicht erheblich verlangsamt, gerät jeder von uns, der auf medizinische Hilfe angewiesen ist, in Lebensgefahr.

Auf die nächsten Tage kommt es an. Je länger wir zögern, desto dramatischer wird es für unser Gesundheitssystem und damit für uns. Deswegen: Shutdown Europa, jetzt sofort!

* In einer früheren Version stand dort 15.000, wir bitten den Rechenfehler zu entschuldigen.

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war von 2012 bis 2019 China-Korrespondent der taz in Peking. Nun ist er in der taz-Zentrale für Weltwirtschaft zuständig. 2011 ist sein erstes Buch erschienen: „Der Gewinner der Krise – was der Westen von China lernen kann“, 2014 sein zweites: "Macht und Moderne. Chinas großer Reformer Deng Xiao-ping. Eine Biographie" - beide erschienen im Rotbuch Verlag.

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