Das Geheimnis der Plusmacherei: Weil es gern mehr sein darf

Marx-Leser wissen: Das Plus ist der Mehrwert, um den es beim Kapitaleinsatz geht. Und ein Reizwort, dem mit den Plus-Angeboten nicht zu entkommen ist.

Plus als Werbeschriftzug

Ein Plus kann doch gar nicht schlecht sein Foto: dpa

Das Geheimnis der Plusmacherei muss sich endlich enthüllen“, heißt es bei Marx. Diese kapitalistische „Plusmacherei will die Gruppe der Freundinnen und Freunde der klassenlosen Gesellschaft bekämpfen. Das Plus ist der Mehrwert, um den es beim Kapitaleinsatz geht – sein „absolutes Gesetz“, wie die Onlinezeitung Scharf-links.de es nennt. Und das wird allen, die eher zur Minusmacherei tendieren, mit dem Wort Plus verdeutlicht. Neulich sagte schon ein Trickdieb vor Gericht: „Aber ich muss doch auch Plus machen.“ Verantwortlich dafür sind all die Kreativen, die mit dem Wörtchen hantieren, das „mehr“ bedeutet, und die zum Beispiel auch mal eine Supermarktkette „Plus“ nannten, deren Märkte mittlerweile aber unter Netto laufen.

Die Welt ist aber weiter voller Plus. Da gibt es etwa das plus Magazin, und hier sind „Frauen und Männer über 50“ gemeint. Als der US-Versandkonzern Amazon seine Kunden mit verbilligten Plus-Produkten beglückte, zogen in Berlin die Onlinehandelsbrüder mit „exklusiven Zalando Plus Rabatten“ nach.

Die vom Auflagenschwund gebeutelte Bild kommt uns mit BILDplus. Darin findet sich zum Beispiel die „Enthüllung eines Geheimpapiers: Die miesen Gebührentricks der Discounter“. Wer dann wirklich mehr als das über die „Dumpingpreise von Supermarktkonzernen“ erfahren will, muss ein BILDplus-Abo kaufen. Noch ärgerlicher ist ein Waschmittel, das mit dem Satz beworben wird: „Jetzt mit dem Wirkstoffadditiv Plus“. Erst verstand ich darunter einen Wirkstoffzusatz mit Namen „Plus“, den es doch geben könnte. Additive sind ja „Stoffe, die Produkten in geringen Mengen zugesetzt werden“ – so könnte das „Plus“ also suggerieren, dass diesem Mittel ein Mehr an geringen Zusatzstoffen beigegeben wurde. Womit mit dem „Plus“ das Additiv nun möglicherweise mehr als eine „geringe Menge“ ausmacht. Ein widersprüchliches Plus, das wahrscheinlich eh nur die Waschmittelwerber eingesetzt haben, weil es halt nach mehr klingt.

Im Rechnen eine Fünf

Früher zogen meist nur solche Leute nach Berlin, die im Rechnen eine Fünf und im Malen eine Eins hatten. Inzwischen ist es umgekehrt – und dementsprechend hat sich auch hier das plusmacherische Denken verbreitet. Wobei das Plus im Namen der Stadt bei der Berlin-Plus-Vereinbarung eine Vereinbarung zwischen Nato und EU meint.

Dazu gibt es die Agentur Plus eines Immobilienmaklers und den Plus.Punkt einer Immobilienverwaltung, es gibt die Qualitätsoffensive S-Bahn Plus, das AOK-Programm carePlus, den Pflegedienst KURA-Plus, unte Cine Plus firmiert „einer der führenden Mediendienstleister Deutschlands“, das „Berlin plus Handbuch Erotik“ gibt es nur noch antiquarisch,und monatlich frisch das BVG-Kundenmagazin Plus.

Der „Hauptstadtseminar-Anbieter ‚Berlin-Plus‘“ hat sich seinen Namen sogar rechtlich gesichert. Damit hat die verbale Plusmacherei hier aber noch lange kein Ende: Es gibt ein GründachPlus, ein Effizienzhaus Plus, ein Jobcenter Plus, ein PlusDental, ein GirokontoPLUS, die Stiftung Neukölln-Plus, die PlusPunkt Apotheke und den Rettermarkt Sir Plus. Und bei „wedding plus“ gibt es Hochzeitskleider, in die auch mehr Körpergewicht hin­einpasst.

Genug! An dieser knappen Aufzählung bereits lässt sich erkennen, dass die Berliner „Insulaner“-Zeiten einer Ökonomie der Verausgabung, der Anökonomie, längst vorbei sind. Jetzt wird wie verrückt Plus gemacht. Darin steckt aber kein „Geheimnis“, sondern ein inhaltsleerer Anspruch.

Also alles, was mit „Plus“ wirbt: meiden!

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geb. 1947, arbeitet für die taz seit 1980, Regionalrecherchen, ostdeutsche Wirtschaft, seit 1988 kulturkritischer Kolumnist auf den Berliner Lokalseiten, ab 2002 Naturkritik.

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