Wahl in Israel: Netanjahu hat die Nase vorn

Wieder keine Mehrheit bei Israels dritter Wahl in einem Jahr in Sicht. Likud verbessert sich leicht. Die Wahlbeteiligung ist trotz Coronavirus hoch.

Wählen in Zeiten von Corona: Wahlbüro unter Quarantäne in Haifa Foto: Mahmoud Illean / AP

JERUSALEM ap/taz | Der israelische Regierungschef Benjamin Netanjahu hat mit seiner Partei Likud bei den Parlamentswahlen Prognosen zufolge als stärkste Kraft abgeschnitten, sein religiös-nationalistisches Lager verfehlte demnach aber schon wieder die absolute Mehrheit.

„Dies ist ein Sieg entgegen allen Erwartungen, weil wir gegen mächtige Kräfte zusammengestanden haben“, sagte Netanjahu tausenden verzückten Unterstützern in der Nacht auf Dienstag. „Sie haben schon eine Lobrede auf uns gehalten. Unsere Gegner haben gesagt, die Netanjahu-Ära sei vorbei.“

Die Nachwahlbefragungen der wichtigsten Fernsehsender des Landes prognostizierten in der Nacht für Netanjahus Likud-Partei und die mit ihr verbündeten ultrareligiösen und nationalistischen Parteien 59 der 120 Sitze im Parlament. Für Herausforderer Benny Gantz' Bündnis Blau-Weiß und das Mitte-links-Lager wurden 54 bis 55 Sitze prognostiziert. Nach der Prognose fehlten Netanjahus Lager zwei Sitze zur absoluten Mehrheit.

Auch bisher hatte keines der beiden Lager eine Mehrheit – das war der Grund für die Neuwahlen. Bei den Wahlen im September 2019 hatte Likud 32 Sitze gewonnen und Blau-Weiß 33. Bei den Wahlen im April 2019 hatte Likud 38 Sitze geholt und Blau-Weiß 35.

Die Wahlbeteiligung lag trotz der Furcht vor dem Coronavirus und und der bereits dritten Wahl in weniger als zwölf Monaten gegen 20 Uhr Ortszeit bei 65,6 Prozent und damit zu dieser Tageszeit so hoch wie seit den Wahlen von 1999 nicht mehr.

Netanjahu demnächst vor Gericht

Sah es zunächst beinahe nach einer Mehrheit und damit nach Auftrieb für Netanjahu aus, würde der Umstand, dass er keine Regierungskoalition bilden kann, seine Position im am 17. März beginnenden Korruptionsprozess gegen ihn eher schwächen. Die Staatsanwaltschaft wirft Netanjahu Bestechlichkeit, Untreue und Betrug vor. Dieser kündigte an, seine Unschuld vor Gericht zu beweisen, nachdem es ihm nicht gelungen war, sich vom Parlament Immunität vor Strafverfolgung bescheinigen zu lassen.

Gantz zeigte sich enttäuscht von den Prognosen. „Das ist nicht das Ergebnis, das wir vielleicht gewollt haben“, sagte er am Dienstagmorgen über den augenscheinlich zweiten Platz seines Mitte-Bündnisses Blau-Weiß.

Gantz hatte Netanjahu vorgeworfen, das Land zu spalten. „Ich hoffe, dass der heutige Tag den Beginn eines Heilungsprozesses markiert, mit dem wir wieder anfangen können, miteinander zu leben.“ Gantz hat sich zwar zu einer großen Koalition mit Likud bereit erklärt, aber nur ohne Netanjahu. Dieser besteht in einer Regierung allerdings auf den Posten des Ministerpräsidenten.

Netanjahu fühlt sich als Sieger

Netanjahu twitterte ein Herz-Emoji mit dem Wort „Danke“ und ein Foto von sich, umringt von seiner Familie, Mitarbeitern und Unterstützern. Vor seinen Anhängern sprach er von einem „gigantischen Sieg“. Im Wahlkampf hatte er sich als einzigartig qualifizierten Staatsmann dargestellt, der das Land durch schwierige Zeiten führen könne.

Miri Regev, hochrangiges Mitglied von Netanjahus Likud, erklärte in der Nacht einen „überwältigenden Sieg“ für die Partei. „Die Nation hatte das Wort, ein Referendum, das das Vertrauen der Menschen in Netanjahu und den Likud beweist, mit all den Anklagen und all den Versuchen, Netanjahu abzusetzen.“

Zünglein an der Waage könnte einmal mehr der unberechenbare Ex-Verteidigungsminister Avigdor Lieberman werden, ohne den bislang weder Netanjahu noch Gantz eine Mehrheit erreichen konnten. Er hatte vor der Wahl keinen der beiden Kandidaten unterstützt.

Lieberman stellt sich gegen Netanjahus Zusammenarbeit mit ultraorthodoxen religiösen Parteien und sagte, er werde keine vierte direkte Wahl erlauben. Er wollte sich vor der offiziellen Auszählung der Ergebnisse nicht zur Wahl äußern, sagte aber: „Wir werden keinen Millimeter von dem abweichen, was wir unseren Wählern versprochen haben.“

Noch mal wählen?

Nach der Wahl entscheidet Staatspräsident Reuven Rivlin, wen er mit der Regierungsbildung beauftragt. Der Nominierte hat dann bis zu sechs Wochen Zeit, eine Koalition zu bilden. Gelingt dies nicht, kann Rivlin einen zweiten Kandidaten beauftragen, der 28 Tage Zeit bekommt. Scheitert auch dieser Versuch, gäbe es schon wieder Neuwahlen.

Rivlin selbst war die Hängepartie leid. „Wir verdienen keinen weiteren fürchterlichen und schmutzigen Wahlkampf wie den, der heute endet, und wir verdienen nicht diese endlose Instabilität. Wir verdienen eine Regierung, die für uns arbeitet“, sagte er bei der Stimmabgabe.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.