Plan B für die Olympischen Spiele: Schneller, höher, später

Das olympische Feuer brennt und ist auf dem Weg nach Tokio. Die Flamme wird aber von Zweifeln begleitet. Eine Verlegung der Sommerspiele wäre gut.

Entzündung olympischen Feuers im antiken Tempel

Olympia-Kult: Die griechische Schauspielerin Xanthi Georgiou (l.) in der Rolle der Hohepriesterin Foto: dpa

Seit den Nazi-Spielen 1936 wird das olympische Feuer am Hera-Tempel entzündet. Hera, dachten sich die Nationalsozialisten womöglich, das ist doch die Göttin der Ehe, der Familie und des Herdes – und als Multifunktionärin, die von ihnen sicherlich mit dem Mutterkreuz ausgezeichnet worden wäre, bestens geeignet, die völkischen Schmonzetten des Dritten Reiches symbolisch aufzuladen. Gestern war es wieder so weit: Das Internatio­nale Olympische Komitee perpetuierte den Nazi-Schmu im antiken Olympia.

Mit einem Parabolspiegel wurde das Feuer vor dem im 4. Jahrhundert nach Christus bei einem Erdbeben zerstörten Tempel entzündet. Anschließend wird es mit einem Fackellauf bis zum aktuellen Gastgeber, also Tokio, getragen. Diese Flamme nährt sich von dreierlei Brennstoffen: dem Panhellenismus der Romantiker, dem Rassenwahn der Nazis und der größtenteils unideologischen Verwertung dieser Versatzstücke in einer postmodernen Gesellschaft. In diesen Tagen trägt die Flamme auch den Zweifel nach Nippon. Er brennt sozusagen lichterloh.

Ursprünglich waren 700 Gäste zur Zeremonie geladen, doch nur 100 durften kommen, zumeist Mitglieder des IOC. Wegen der Corona-Pandemie entschlossen sich die Olympier, ihre alten Leutchen vor allzu vielen Kontaktpersonen zu schützen. Das kleinere Setting korrespondierte ganz gut mit den Fußballspielen vor leerer Kulisse, also Partien, die derzeit in dieser Form in Europa oder Nordamerika abgehalten werden, um die Verbreitung von Sars-CoV-2 halbwegs in den Griff zu kriegen.

Das IOC beeilte sich natürlich mitzuteilen, dass die Sommerspiele, die am 24. Juli in Tokio eröffnet werden sollen, keinesfalls gefährdet sind, ganz bestimmt nicht. Die Sportwelt fragt sich trotzdem, ob das nicht nur wohlfeile Absichtserklärungen, eben die üblichen Durchhalteparolen sind. Gut, es ist noch ein bisschen hin und Japan wird bis dahin das Virus im Griff haben. Aber was ist mit 11.000 Athletinnen und Athleten – und den über 600.000 Olympia-Touristen? Werden sie die bösen Mikroben nicht wieder einschleppen? Kann das gut gehen?

Verschiebung oder Zuschauerausschluss

Das dachte wohl auch Haruyuki Takahashi vom Tokioter Organisationskomitee der Spiele. Der japanischen Zeitung Asahi Shimbun erklärte er: „Das Coronavirus ist zu einem globalen Problem geworden. Wir können die Spiele nicht einfach abhalten, weil Japan in Ordnung ist.“ Es wäre ideal, die Spiele auszutragen, aber „es muss einen Alternativplan geben“. Plan B könnte das Szenario einer Verschiebung nachzeichnen, Plan C mit dem Gedanken eines Zuschauerausschlusses spielen. Letzteres wäre nicht nur für die Sponsoren verheerend, sondern vor allem für die TV-Rechte-Inhaber.

Kein anderes Sportereignis der Welt lebt derart von der Fülle und der Opulenz der Bilder wie die Olympischen Spiele, darüber hinaus von einer mitreißenden Stimmung, die nicht nur Athleten aus 200 Ländern im olympischen Dorf erfasst, sondern auch die Fans auf den Tribünen. Olympia braucht Zuschauer wie die Flamme Sauerstoff. Takahashi versteht seinen Vorstoß als „Warnglocke“ für das Organisationskomitee.

Dieses müsse „sich der aktuellen Situation stellen und mit den Sportverbänden überlegen, welche Maßnahmen im Falle einer Verschiebung ergriffen werden müssen“. Der Sommer 2022 biete angesichts des internationalen Sportkalenders „die beste Möglichkeit“ für eine eventuelle Verlegung, die Vorbereitung müsse „jetzt beginnen“.

Es wäre ohnehin viel besser, die Spiele in den Herbst zu verlegen. Es sportelt sich nun mal schlecht bei schwüler Sommerhitze von 35 Grad Celsius.

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