Buchmesse wegen Corona abgesagt: Lesen in Quarantäne

Dass die Leipziger abgesagt wurde, ist schade – aber auch verständlich. Denn nach der Messe ist auch sonst immer die halbe Branche krank.

Menschenmenge in den Messehallen in Leipizg.

Besucher:innen der Leipziger Buchmesse im März 2019 Foto: Jens Kalaene/dpa

Es hat schon vor Tagen Witze darüber gegeben, was wohl geschehen mag, würde die gesamte Leipziger Buchmesse unter Quarantäne gestellt. Der deutsche Literaturbetrieb samt seinen internationalen Gästen, samt Schulklassen, Leserinnen und Zaungästen tage-, womöglich wochenlang eingesperrt in dieser Parallelwelt der klaustrophobischen Leipziger Messehallen und gläsernen Messegänge, da hätte man dann glatt ein paar Romane drüber schreiben können. „Decamerone 2020“.

Die Realität ist prosaischer und dieses Coronavirus ja offensichtlich sowieso eher humorlos. Dass die Leipziger Buchmesse abgesagt wurde, ist natürlich schade – man hatte sich schon gefreut, so viele interessante Bücher standen auf dem Programm –, aber wohl auch vernünftig so.

Aus Erfahrung kann man sagen, dass nach so einer Messe sowieso die halbe Buchszene krank ist, die Enge vor den Verlagsständen, das Gedrängel in den Straßenbahnen, ein normaler Schnupfen ist da schnell eingefangen, und dieses Jahr geht es eben um mehr als nur um einen läppischen Schnupfen. Bei aller Liebe zur Literatur und den gewichtigen Debattenthemen: Einer Epidemie in die Hände spielen möchte man dann doch nicht.

Die Expert:innen brauchen noch Zeit, Impfstoffe zu entwickeln, die gesamtgesellschaftliche Aufgabe besteht deshalb jetzt darin, die Ansteckungsraten zu verringern. Das zu vertreten ist keine Panikmache, sondern ein Setzen auf gesellschaftliche Solidarität. Gerade auch mit denen, die durch eine Ansteckung tatsächlich stärker gefährdet wären – also vor allem ältere und geschwächte Menschen. So sei es also.

Enge an den Ständen, Gedränge in der Bahn- ein normaler Schnupfen ist da schnell eingefangen

Die Buchbranche wird es überleben (wobei es – hallo, Kulturstaatsministerin Grütters! – Härtefälle geben wird), die Literatur sowieso. Und den Leipziger Buchpreisträger oder die Buchpreisträgerin kann man auch im Internet verkünden.

Aber traurig kann man natürlich dennoch sein. Trotz all dem Marketinggetümmel stehen gerade die Buchmessen für alles, was schön und gut am Lesen ist. Die Neugierde auf Themen und Schreibweisen, das Interesse an Streit und Diskurs – es gibt in Deutschland nicht so viele Ereignisse, an denen all das so anschaulich wird wie im Frühjahr in Leipzig und dann in Frankfurt im Herbst.

In den sozialen Medien kursiert jetzt die Idee, dass man so eine Messe auch virtuell abhalten könnte. Aber nein, das ist leider kein Ersatz. Um gesamtgesellschaftliche Sichtbarkeit für die ­Sache der Bücher herzustellen, bleiben die Buchmessen eigentlich unverzichtbar. Doch die Bücher selbst, sie sind zum Glück nicht mit Sars-CoV-2 infiziert.

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Dirk Knipphals, Jahrgang 1963, studierte Literaturwissenschaft und Philosophie in Kiel und Hamburg. Seit 1991 Arbeit als Journalist, seit 1999 Literaturredakteur der taz. Autor des Sachbuchs "Kunst der Bruchlandung. Warum Lebenskrisen unverzichtbar sind" und des Romans "Der Wellenreiter" (beide Rowohlt.Berlin).

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