Vorwürfe gegen Staatliche Balletschule: Das Vertrauen ist gestört

Eine Kommission soll Vorwürfe von Kindeswohlgefährdung an der Staatlichen Ballettschule aufarbeiten. Der Prozess wird bereits kritisiert.

Beschwerden über Mobbing und Trainingsdrill: Schülerinnen der Staatlichen Ballettschule

BERLIN taz | Nach Vorwürfen von Kindeswohlgefährdung, Magersucht und krank machendem Leistungsdruck an der Staatlichen Ballettschule in Prenzlauer Berg versucht die Bildungsverwaltung nun den Aufarbeitungsprozess zu starten – und sieht sich dafür gleich zu Beginn deutlicher Kritik ausgesetzt.

„Die Jugendlichen hatten bisher Angst, Probleme in der Schule offen anzusprechen, und die haben sie jetzt noch mehr“, sagt Marianne Burkert-Eulitz, jugendpolitische Sprecherin der Grünen, der taz. Auch ihre Kollegin von der Linksfraktion, Regina Kittler, sagt: „So geht’s gar nicht.“

Hintergrund ist eine Vollversammlung von SchülerInnen, Eltern und PädagogInnen am Montagabend in der Ballettschule. Dort hatte der zuständige Referatsleiter der Bildungsverwaltung Christian Blume die Freistellung von Schulleiter Ralf Stabel und dem künstlerischen Leiter Gregor Seyffert verkündet.

Auf dem Tonmitschnitt, der der taz vorliegt, rechtfertigt Blume die Freistellung so: Man wolle Stabel und Seyffert nun „ein Stück weit aus der Schusslinie nehmen“, damit die „ständigen Anwürfe und Vorwürfe gegen sie dann hoffentlich vorübergehend erst mal aufhören“. Zugleich betonte Blume die „besonderen Verdienste“ der beiden um die Schule und sagte, die Freistellung sei „kein Schuldeingeständnis“.

Die Bildungsverwaltung neh­me die Beschwerden der Schü­­lerIn­nen „sehr ernst“, sagte Blume weiter. Man müsse nun aber auch gemeinsam klären: „Sind wir hier wirklich eine leistungsorientierte Eliteschule?“

Bildungsverwaltung tut sich schwer

Ein schwieriger Auftritt, findet Burkert-Eulitz. Man gewinne den Eindruck, die Bildungsverwaltung tue sich sehr schwer damit, die umstrittene Schulleitung freizustellen. Und stehe deshalb auch nicht voll hinter den Jugendlichen.

„Diese Vorwürfe weisen wir zurück“, sagt dazu ein Sprecher von Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD). Die Beschwerden hätten „an Schärfe zugenommen und dem Betriebsfrieden geschadet“. Für den nun beginnenden Aufarbeitungsprozess müsse aber zwingend „ein Vertrauensverhältnis gegeben sein“ zwischen Schulleitung und SchülerInnen.

Die Staatliche Ballettschule und Schule für Artistik in der Erich-Weinert-Straße ist eine Eliteschule des Sports. Rund 300 SchülerInnen werden hier ab der Klasse 5 zu Profi-TänzerInnen und BerufsakrobatInnen ausgebildet. Im Januar hatte zuerst eine Recherche des RBB über Vorwürfe von SchülerInnen berichtet: von Bodyshaming und Mobbing durch Lehrkräfte war die Rede, von nicht eingehaltenen Pausenzeiten nach dem Jugendschutzgesetz. Vor allem aber unterdrücke die Schulleitung jede Kritik, statt die SchülerInnen zu stärken.

Die Schilderungen der Jugendlichen seien „absolut glaubwürdig“, finden die beiden Abgeordneten Burkert-Eulitz und Kittler. Sie hätten in der vergangenen Woche, wie auch ihre SPD-Kollegin Maja Lasić, mehrere Stunden lang mit betroffenen SchülerInnen gesprochen. „So etwas saugt man sich nicht aus den Fingern“, so Kittler.

Kittler sagt, sie sei bereits seit September mit einer „Vertrauensperson“ aus der Schule in Kontakt. Sie habe damals bei Scheeres die Einrichtung einer externen Anlaufstelle für die SchülerInnen angeregt. Seit Mittwoch ist inzwischen eine unabhängige Clearingstelle per Mail und Telefon erreichbar, die unter anderem mit einer Psychologin besetzt ist.

Zunächst nur anonyme Hinweise

In der Bildungsverwaltung verwahrt man sich gegen den Vorwurf, nicht zügig genug gehandelt zu haben: Man habe „über soziale Netzwerke“ zwar auch schon vor September Hinweise auf Missstände an der Schule bekommen, „allerdings waren das immer anonyme Hinweise“, betont ein Sprecher. Nachdem dann auch noch Kittler auf die Senatorin zugekommen sei, habe man aber ein Krisengespräch unter anderem mit der Schulleitung und der Vertrauenslehrerin der Schule geführt.

Offenbar sah man danach aber keinen weiteren Handlungsbedarf. Erst als Anfang Januar ein (anonymes) Dossier von ehemaligen und aktuellen Lehrkräften bei der Bildungsverwaltung landete, in dem die PädagogInnen die Schulleitung ebenfalls belasten, richtete Scheeres eine mehrköpfige Kommission ein. Die soll jetzt aufarbeiten, was an den Vorwürfen dran ist – und was daraus folgt, wie sich Strukturen und Kommunikation an der Schule verändern müssen.

Inzwischen seien auch nicht mehr alle Beschwerden anonym, weil sich einige Personen „mit Klarnamen“ an die Mail­adresse der Kommission gewandt hätten.

Die SPD-Abgeordnete Lasić sagt, es gehe jetzt um zwei Fragen. Zum einen, was zumutbar sei an einer Eliteschule, und zum anderen, wie transparent Beschwerden verfolgt würden: „Welche Möglichkeiten hat ein Kind, wenn etwas nicht stimmt?“

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