Olympia in Japan und der Corona-Virus: Unklare Aussichten

Während die Ausrichter der Olympischen Spiele in Tokio Zweifel beiseite­wischen, sagen Experten, dass es eng werden könnte für das Großevent.

eine voll besetzte Tribühne bei einem Rugbyspiel, viele Zuschauer tragen einen Mundschutz

Vorsichtsmaßnahme gegen Viren: Tokioter beim Rugby Foto: Kyodo/reuters

„Im Moment wäre es schwierig, die Olympischen Spiele abzuhalten“, sagte der anerkannte Professor vor versammelter Presse. Hitoshi Oshitani, ein Virologe von der Tohoku-Universität in der nordjapanischen Metropole Sendai, war bis nach Tokio gekommen, um seine Bedenken zu äußern. Im Foreign Correspondents Club, einem Presseklub für Auslandsreporter in der japanischen Hauptstadt, präsentierte Oshitani eine Sicht, die bisher wenig gehört wurde. Nach Beruhigung und Kontrolle klang das nicht.

„Wir müssen den besten Weg finden, um sichere Olympische Spiele zu veranstalten“, betonte Oshitani bei seinem Vortrag am Mittwoch. „Im Moment haben wir keine effektive Strategie.“ Oshitani, der schon beim Ausbruch der Atemwegserkrankung Sars vor knapp 20 Jahren die Weltgesundheitsorganisation (WHO) beriet, habe zwar Hoffnung, dass sich die Lage bis zum Juli entspannt haben wird. Dann könnte die größte Sportveranstaltung der Welt, die Millionen Besucher nach Japan bringen soll, auch wie geplant stattfinden. Aber bis dahin sei es ein weiter Weg.

Derzeit breitet sich das Coronavirus, offiziell nun Covid-19 genannt, jeden Tag weiter aus. Neben dem Epizentrum China, wo mittlerweile weit über 75.000 Infizierte festgestellt sind, gehört Japan zu den am stärksten betroffenen Ländern. Das Kreuzfahrtschiff „Diamond Princess“ musste bis zum Mittwoch zwei Wochen lag mit 3.700 Passagieren an Bord vor der Küste von Yokohama in Quarantäne gehalten werden.

Doch die insgesamt über 700 Infektionsfälle in Japan lassen sich schon länger nicht mehr nur auf dieses Schiff zurückführen. Nachdem am 13. Februar ein Taxifahrer in Tokio infiziert wurde, kurze Zeit später eine alte Frau mit dem Virus starb, war klar: Das Coronavirus hat seinen Weg nach Japan gefunden.

Hohe Krankenhausdichte

Das japanische Regierungskabinett bemüht sich unterdessen, der Situation Herr zu werden. Vor einigen Wochen schon wurde ein Krisenkontrollzentrum eingerichtet, das von Premierminister Shinzo Abe angeführt wird. Auf der „Diamond Princess“, wo am Donnerstag die Evakuierung begann, wurden die Passagiere auf das Virus getestet.

Der öffentliche Rundfunksender NHK unterhält auf diversen Sprachen eine Hotline, über die sich besorgte Personen informieren oder selbst Informationen mitteilen können. Gern wird betont, dass Japan eine hohe Krankenhausdichte hat und deshalb auch viele Krankheitsfälle angemessen behandeln könne.

Die Organisatoren der Olympischen Spiele haben unterdessen ihr eigenes Krisenkontrollzentrum eingerichtet, das sich konkret auf die Sicherheit der Sportveranstaltung und deren Vorbereitungen konzentriert. Hier stehen derzeit unter anderem diverse Test-Events unter Beobachtung, die in den Monaten vor den Olympischen und Paralympischen Spielen üblicherweise am Veranstaltungsort abgehalten werden. Insgesamt 19 solcher Events sind für nächsten Monat geplant. Das erste Abrücken von diesem Vorhaben verkündeten am Donnerstag die Organisatoren der Paralympischen Spiele, die Ende August beginnen sollen: Ein Testevent für Boccia ist zunächst für internationale Teilnehmer ausgefallen.

Es ist nicht die erste Sportveranstaltung, die dem Virus zum Opfer fällt. Der Tokio-Marathon am 1. März, der zu den sechs wichtigsten Rennen der Laufsaison gehört und nach Anmeldungen auch zu den weltweit populärsten zählt, darf dieses Jahr nur für Eliteläufer stattfinden. „Indem Fälle von Covid-19 in Japan bestätigt sind, können wir die Veranstaltung nicht in dem ursprünglich geplanten Ausmaß durchführen“, hieß es Anfang der Woche in einer offiziellen Mitteilung.

Nur für Eliteläufer

Die Zehntausenden Amateurläufer erhalten nun ihr Geld zurück oder können ihren Startplatz auf 2021 verschieben. Ähnliches gilt für den Nagoya-Marathon der Frauen am 8. März, der ebenfalls auf die Elite beschränkt wurde. Der Nagoya City Marathon am selben Wochenende wurde komplett abgesagt. Ebenfalls ins Wasser gefallen ist eine Schulungsveranstaltung für die Olympia-Volunteers, die im Sommer das Großevent unterstützen sollen.

Dass dadurch aber die Olympischen Spiele ins Wanken geraten, wird von offizieller Seite verneint. John Coates, Exekutivdirektor beim Internationalen Olympischen Komitee (IOC), hat mehrmals verlauten lassen, dass es im Juli sichere Spiele geben werde. Das Organisationskomitee in Tokio sagte am Donnerstag auf Anfrage: „Wir haben nie diskutiert, die Spiele abzusagen.“ Dabei bezogen die Organisatoren gegenüber den Einschätzungen des Virologen Hitoshi Oshitani ebenso wenig Stellung wie zur Frage, ob es schlimmstenfalls schon einen Plan B gebe.

Zu diesen für die japanische Bevölkerung eher verstörenden Nachrichten kommt hinzu, dass der Virologe Oshitani nicht der einzige Sachkundige ist, der Zweifel an der Durchführbarkeit der Olympischen Spiele im Sommer geäußert hat. Anfang der Woche sagte schon Shigeru Omi, einstiger Regionaldirektor der WHO und ein in Japan führender Experte für ansteckende Krankheiten, auf einer Pressekonferenz: „Ob die Verbreitung des Virus bis zu den Olympischen Spielen andauert oder nicht, hängt vom Virus ab sowie von den Anstrengungen der Gesellschaft.“

Niemand könne vorhersagen, ob das Virus aufgehalten werden kann. „Das ist ein Ratespiel für uns alle.“ Wie Oshitani gibt sich auch Omi zwar tendenziell optimistisch, zugleich aber vorsichtig, dass sich die Lage bald kontrollieren lässt. Für die Gesellschaft sind solche widersprüchlichen Aussagen keine Beruhigung. Während schon mehrfach von Anfeindungen gegenüber chinesischen Personen in Japan berichtet wurde, hat es auch Hamsterkäufe gegeben. Gesichtsmasken und Desinfektionsspray sind in Japan derzeit knappe Waren. Gleiches gilt auch für Europa.

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