Lars Eidinger auf der Berlinale: Dicke, weiße Krokodilstränen

Schauspieler Lars Eidinger beweint die „vergiftete Gesellschaft“. Mehr als falsche Betroffenheit ist das nicht.

Lars Eidinger bei einer Pressekonferenz auf der Berlinale.

Trop, tropf: Lars Eidinger, wie er nur über sich selbst redet Foto: Michael Kappeler/dpa

Vom Statement zum Meme: Diesen Weg geht eigentlich fast alles, was mit dem Schauspieler Lars Eidinger zu tun hat. Sei es seine peinliche DJ-Persona mit Stickern im Gesicht, als wäre noch 2013 auf Tumblr, seine Partyreihe „Autistic Disco“ – ein Titel, den man vielleicht als Achtklässler_in lustig oder edgy findet – oder seine Alditüten-Replica-„It“-Bag für 500 Euro.

Kaum hat man sich von Lachkicks darüber erholt, legt Eidinger auf einer Pressekonferenz während der Berlinale noch mal nach. Diesmal als Sad Boy.

Mit feuchten Augen, einem zärtlichen Finger zwischen den Lippen und schließlich auch einer heißen, die Wange herunterkullernden Träne spricht er über unsere „vergiftete Gesellschaft“ und wie es sich anfühlt, „wenn man versucht, also ganz platt, Liebe in die Welt zu tragen und kriegt dafür Hass als Antwort“. Über eine Minute lang labert er irgendetwas Vages über seine Kreativität, seinen Platz in der Gesellschaft sowie seinen „Kampf dagegen“.

Was genau er eigentlich meint, bleibt ein Rätsel. Sollte das eine Anspielung auf den rechten Terror in Hanau, die Anschläge auf Shishabars in Stuttgart und Döbeln sein? Brennende Autos und Mülltonnen? Oder darauf, dass Leute sich online über ihn lustig machen?

Weiße Fragilität, falsche Betroffenheit

Was die Medien zum „emotionalen Statement gegen Hass und Missgunst in der deutschen Gesellschaft“ hochjazzen, als hätte Eidinger dem NSU seinen Vater gefickt, wird auf sozialen Medien zu Recht als Clownerei enttarnt. „Almans, wenn man ihnen erklärt warum sie das N-Wort nicht mehr sagen dürfen“, textet etwa die Journalistin Yelda Türkmen über das Video auf Twitter. Statt klare politische Haltung liefert Eidinger weiße Fragilität, Krokodilstränen, falsche Betroffenheit und bürgerlich anbiederndes Geschwafel über Liebe versus Hass.

In einer Zeit, in der Schwarze, jüdische, muslimische, migrantische und nichtweiße Deutsche um durch rechten Terror Ermordete trauern und um ihre eigene Sicherheit fürchten, schleust Eidinger ein gesellschaftspolitisches Thema als trojanisches Pferd ein, nur um über sich selbst zu labern.

Eine klassische Taktik von Weißen, wenn sie mal etwas Schlaues zu einer Debatte über Antisemitismus oder Rassismus beitragen wollen, letztendlich aber weder Analyse noch Kritik liefern, sondern ungefragt Worte über ihre Feelings in den Raum furzen. Selbst ein „Danke für nichts“ wäre ein Danke zu viel.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Mit der taz Bewegung bleibst Du auf dem Laufenden über Demos, Diskussionen und Aktionen gegen rechts.

Hier erfährst du mehr

Rechtsextreme Terroranschläge haben Tradition in Deutschland.

■ Beim Oktoberfest-Attentat im Jahr 1980 starben 13 Menschen in München.

■ Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) um Beate Zschäpe verübte bis 2011 zehn Morde und drei Anschläge.

■ Als Rechtsterroristen verurteilt wurde zuletzt die sächsische „Gruppe Freital“, ebenso die „Oldschool Society“ und die Gruppe „Revolution Chemnitz“.

■ Gegen den Bundeswehrsoldaten Franco A. wird wegen Rechtsterrorverdachts ermittelt.

■ Ein Attentäter erschoss in München im Jahr 2016 auch aus rassistischen Gründen neun Menschen.

■ Der CDU-Politiker Walter Lübcke wurde 2019 getötet. Der Rechtsextremist Stephan Ernst gilt als dringend tatverdächtig.

■ In die Synagoge in Halle versuchte Stephan B. am 9. Oktober 2019 zu stürmen und ermordete zwei Menschen.

■ In Hanau erschoss ein Mann am 19. Februar 2020 in Shisha-Bars neun Menschen und dann seine Mutter und sich selbst. Er hinterließ rassistische Pamphlete.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.