Neue Insektenfarm in Bremen: Lecker Bio-Grillen

Ein Bremer Start-up will Grillen für den menschlichen Verzehr züchten. Die ältesten Exemplare in der Pilotanlage legen inzwischen die ersten Eier.

Agraringenieur Berendt mit seinen Grillen

Florian Berendt nutzt die ersten Generationen der Grillenfarm für die Zucht Foto: Alina Götz

taz | BREMEN Das Bremer Start-up „EntoSus“ möchte Grillen als Nahrungsmittel züchten. Die erste Aufzuchtkammer in einem Bunker in Walle steht bereits: In dem 30 Grad warmen Raum leben die Tiere in mehreren Boxen, sortiert nach ihren Entwicklungsstadien. Die Ältesten sind inzwischen 40 Tage alt und legen die ersten eigenen Eier der Zucht. Sie krabbeln zwischen Eierpappen, fressen Krümel und nippen an mit Wasser getränkten Schläuchen.

„Artgerechte Haltung“ nennt Gründer und Agraringenieur Florian Berendt das. „Die können jederzeit aus der offenen Box rausspringen.“ Dass sie nicht überall in der Kammer verteilt herumhüpfen, zeigt Berendt, dass sie sich wohlfühlen.

Noch verfüttert Berendt spezielles Grillenfutter, aber eigentlich will er die erste Biogrillenfarm Europas gründen, die nur Reste aus der Agrar- und Lebensmittelindustrie verwendet. Er will mit einer Biomühle kooperieren, die im Jahr 50 Tonnen Altbackwaren und 1.000 Tonnen Abfall, der vor dem Mahlen anfällt, übrig hat. „Das geht normalerweise an Tiere wie Schweine und Hühner, aber ich finde es sinnvoller, das an ein Insekt zu verfüttern und das Insekt zu essen.“

Denn Berendts Hausgrillen lassen sich zu 100 Prozent verwerten, enthalten viele Proteine und brauchen weniger Platz als andere Tiere in der Fleischproduktion. Zudem verbraucht ihre Zucht weniger Wasser, und die Treibhausgasemissionen sind deutlich geringer.

Die EU hinkt bei Zulassung hinterher

Angesichts des prognostizierten Bevölkerungsanstiegs auf 10 Milliarden Menschen bis 2050 seien bisherige Ernährungsgewohnheiten nicht länger tragbar. „Unter der Landwirtschaft des Westens leidet der restliche Planet“, sagt Berendt. Insekten könnten Teil der Umstellung sein. Die Lösung schlechthin seien sie nicht – genauso wenig wie Algen oder eine weltweite vegane Ernährung.

Auch Nina Kröncke, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Lebensmitteltechnologie an der Hochschule Bremerhaven, sieht in Insekten eine Chance. „Woanders ist es schon völlig normal, Insekten zu essen, nur hier ist es noch sehr negativ behaftet.“ Aber die Nachfrage nach Insektenburger oder -riegeln steige dennoch.

Florian Berendt, Agraringenieur

„Ich nehme meine Proteine vorrangig über Insekten auf“

Hierzulande gibt es laut Berendt bisher nur eine weitere Insektenfarm, in Süddeutschland. Die Europäische Union hinkt bei der Zulassung von Insekten als Nahrungsmittel hinterher. Momentan laufe ein Antrag, so Berendt, Grillen auf die Liste der sogenannten Novel-Food-Verordnung für neuartige Lebensmittel zu setzen. Eine Bio-Zertifizierung auf EU-Ebene gebe es auch noch nicht. Immerhin Naturland hat bereits Richtlinien aufgestellt.

Bei aller Zuneigung zu seinen Grillen hat Berendt kein Problem damit, diese einzufrieren oder zu essen. „Aber ich habe auch keine Hemmungen, einen Hund zu schlachten oder Känguru zu essen – da bin ich relativ schmerzfrei.“ Der Unternehmer kritisiert nicht Fleischkonsum an sich, sondern die Haltungsbedingungen der Fleischindustrie. „Wenn jemand Fleisch essen möchte, sollte er notfalls fähig sein, es selbst zu schlachten.“ Früher war er selbst Veganer, „weil ich mir nicht sicher war, ob ich das könnte“.

Als er in einem Wohnprojekt in Schwarme eine eigene Landwirtschaft aufgezogen und sein erstes Huhn geschlachtet hatte, war Fleischessen kein Problem mehr. Seine Biogrillen erleben bei ihm mindestens ein Drittel ihrer normalen Lebensdauer – sehr viel mehr als übliche Masttiere. Und auch die Tötung der Kaltblüter durch Erfrieren sei natürlicher: „Insekten fallen bei tiefen Temperaturen in eine Schockstarre und sterben einfach.“

Inzwischen isst Berendt fast kein Fleisch mehr. „Ich nehme meine Proteine vorrangig über Insekten auf.“ Die bekommt er momentan noch aus Finnland oder Spanien; die größten Exporteure weltweit sind derzeit aber Thailand und Kanada. „Das macht natürlich keinen Sinn“, findet Berendt, „deswegen wollen wir ja regional selbst züchten“. Bis die Grillenfarm groß genug ist, müssen aber die getrockneten und gerösteten Importe herhalten – im Müsli oder Smoothie, als Mehl im Brot oder als knusprige Grillenbolognese.

Über eine Crowdfunding-Kampagne sammelt Berendt nun Geld für größere Zuchtboxen und eine Mühle. Kredite und staatliche Fördermittel können folgen, aber zunächst wollen Berendt und seine Geschäftspartnerin, die Lebensmitteltechnologin Melanie Christians, die Zucht vergrößern und Hersteller von Insektenprodukten beliefern. Eigene Produkte, ein Onlineshop und die Kooperation mit Bremer Biomärkten sollen folgen.

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