Streaming-Spielfilm „Isi und Ossi“: Wow, Netflix kann auch schlecht!

Deutsche Netflix-Produktionen sind normalerweise besser als deutsches TV. Der neue Netflix-Spielfilm „Isi und Ossi“ aber ist wie Sat.1 in den 90ern.

Junge Frau und Mann boxen

Isi und Ossi – reich trifft prollig, in Heidelberg Foto: Netflix

Wenn Düsseldorf das deutsche Dallas ist, wie man einst in Helmut Dietls „Kir Royal“ lernen konnte – dann muss Heidelberg das deutsche Denver sein: ein bisschen bescheidener, die umgebende Bergwelt eher eine Hügellandschaft, aber auch sehr malerisch, und die Nobelvillen am rechten Neckarufer, in einer davon residierte einmal Steffi Graf, vielleicht doch eher mit dem SUV als mit der Stretchlimo davor, es ist ja auch eine andere Zeit.

Es ist eine Zeit, die vielleicht einmal als das „Netflix-Zeitalter“ historisch werden wird – so etwas weiß man ja immer erst hinterher. Netflix ist jedenfalls gerade dabei, die über Jahrzehnte etablierte Kino- und Fernsehlandschaft komplett umzukrempeln; und als wie groß die Bedrohung empfunden wird, konnte man gerade in dieser Woche an der demonstrativen Ignoranz sehen, mit der das alte Hollywood-Establishment die cineastisch ambitionierten Netflix-Produktionen („The Irishman“ und „Marriage Story“) bei den Oscars übergangen hat. Ambitioniert ist auch das Stichwort, wenn es um die allererste deutsche Netflix-Serie „Dark“ geht und das Gewese, das vor gut zwei Jahren darum gemacht wurde.

Es war da nur eine Frage der Zeit, bis es auch den ersten deutschen Netflix-Spielfilm geben würde. Aber das musste natürlich wohlüberlegt sein. Welche hiesige Größe würden die Amerikaner wohl verpflichten: einen cinephilen Feingeist wie Christian Petzold? Oder am Ende doch den Rambo unter den Autorenfilmern, Til Schweiger?

Weder noch. Es ist Oliver Kienle geworden. Der wäre wohl nur Insidern ein Begriff, hätte er nicht den aktuellen „Serien-Event“ des ZDF („Bad Banks“) geschrieben. Wahrscheinlich ist er trotzdem nur Insidern ein Begriff.

Die europäische Bronx

Den Film also, „Isi und Ossi“, hätte man sich auch im Programm von ProSieben oder Sat.1 vorstellen können – vor 20 Jahren, als die noch so was produziert haben.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Heidelberg, das deutsche Denver: „Als Isi zehn Jahre alt war, belief sich das Vermögen ihrer Eltern auf exakt 2.347.867.513,27 Euro. Zum selben Zeitpunkt betrug das Vermögen der alleinerziehenden Mutter von Oskar 27,63 Euro“, erfahren wir aus dem Off. Oskar, genannt „Ossi“, wohnt auch nicht im schmucken Heidelberg, auf der Sonnenseite des Lebens sozusagen, sondern in Mannheim, der etwas prolligen, migrantisch geprägten Nachbarstadt, die in Sachen Döner und Problemschulen durchaus Berliner Qualitäten hat – zumindest aus Sicht des Filmemachers. Nur dass, aus dessen Sicht, Berlin halt schon ziemlich durch ist, totgefilmt sozusagen. Da braucht man für die Standardsituation „armer Junge trifft reiches Mädchen“ schon wenigstens ein anderes Setting.

Ossis Mutter (Lisa Hagmeister) ist arg verschuldet, er muss seinen ersten großen Boxkampf vorfinanzieren – er will also nur an Isis (Lisa Vicari) Geld. Die will zuerst auch nur an ihr Geld. Ihre dünkelhaften Eltern haben ihr Konto und Kreditkarten gesperrt, weil sie lieber Köchin werden als BWL studieren will. Mit einem maximal unstandesgemäßen neuen Freund will Isi ihre Eltern provozieren: Auftritt Ossi. Die beiden schließen ein Zweckbündnis. Isi: „Kannst du mich bitte richtig asozial küssen?“ Ossi: „Ich kann nur gut küssen, tut mir leid.“

So wenig neu und originell sind die (von „Erkan und Stefan“ schon in den 1990ern parodierten, in der RTL-Serie „Arme Millionäre“ schon vor 15 Jahren bedienten) Klischees, wie sie Oliver Kienle nun im Dampfkochtopf seines Auftraggebers Netflix kaum mehr als wieder aufwärmt.

Das kann man unterm Strich so fad finden wie viele der Gags („Man sagt nicht mehr Schwuchtel – man sagt jetzt Hipster.“). Oder man zollt den Netflix-Managern im fernen Los Gatos einfach mal Respekt: dafür, dass sie dem filmisch hierzulande bislang völlig unterbewerteten Mannheim eine große internationale Bühne bereiten. Wenn Heidelberg das deutsche Denver ist – dann muss Mannheim die europäische Bronx sein!

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.