Zu wenig Geld, Wertschätzung, Sicherheit: Trostlose Wissenschaft

Die Arbeitsbedingungen von Mitarbeiter*innen an den Hochschulen unterhalb der Ebene der Professur sind mies. Nun regt sich Protest.

Eine studentische Hilfskraft untersucht im Botanischen Garten in Kiel eine Pflanze.

Nicht zu entdecken: Gute Arbeitsbedingungen für studentische Hilfskräfte Foto: dpa

HAMBURG taz | Studierende und wissenschaftliche Mitarbeiter*innen der Hamburger Hochschulen wollen am heutigen Mittwoch der Wissenschaftsbehörde von Katharina Fegebank einen Überraschungsbesuch abstatten – um gegen prekäre Arbeitsbedingungen in der Wissenschaft zu protestieren. Dafür haben sich die studentische Initiative „TVStud“ und die „Mittelbau Initiative“ zusammengeschlossen.

Ein großes Problem steckt im Hamburger Personalvertretungsgesetz. Grundsätzlich unterscheidet Hamburg zwischen studentischen Hilfskräften, Tutor*innen und studentischen Angestellten. Letztere werden nach dem Tarifvertrag der Länder bezahlt. Die größere Gruppe sind nach Informationen von TVStud aber die studentischen Hilfskräfte und Tutor*innen.

Die wiederum sind keine Angehörigen des öffentlichen Dienstes. Das betrifft mehrere Tausend Studierende und bedeutet: Sie bekommen keinen Tarifvertrag, können sich nicht in Personalräten organisieren und ihre Interessen gegenüber ihren Arbeitgebern, den Hochschulen, kaum vertreten – obwohl sie für das Land Hamburg arbeiten.

Die Folge: Im schlechtesten Fall verdienen Studierende 10,13 Euro pro Stunde, machen Überstunden, haben keinen bezahlten Urlaub und immer wieder befristete Verträge. Laut einer Befragung des Personaldienstleisters „Studitemps“ liegt der studentische Durchschnittslohn in Hamburg bei 11,86 Euro pro Stunde. Das SHK-Gehalt liegt also 1,73 Euro drunter.

Marvin Hopp, Initiative TVStud

„Viele denken, der Job diene zur Eigenqualifikation, weil man ja was dabei lernt“

Für SHKs und Tutor*innen gibt es so keine Planungssicherheit, weil sie nicht wissen, ob sie in wenigen Monaten noch einen Job haben werden. „Man muss es sich leisten können, als studentische Hilfskraft zu arbeiten“, sagt Marvin Hopp von TVStud. Darum fordert die Initiative Arbeitsverträge über mindestens zwei Jahre für SHKs und Tutor*innen. Auch sollen beide Gruppen in den Tarifvertrag der Länder aufgenommen werden.

Auch in Hannover und Bremen regt sich Widerstand gegen die Beschäftigungsverhältnisse in der Wissenschaft. Dort engagieren die Studierenden sich auch im TVStud-Netzwerk und fordern ebenfalls Tarifverträge für studentische Beschäftigte. Denn bislang ist Berlin das einzige Bundesland, das seinen Studierenden einen Tarifvertrag gibt. Vorausgegangen waren dort viele Warnstreiks und Verhandlungsrunden.

In Hannover fanden im November mehrere Demonstrationen gegen die schlechten Arbeitsbedingungen statt. Jetzt in der Prüfungszeit ist es ruhiger geworden. Nicht so in Bremen: Dort fand der letzte Protest erst Ende Januar statt. Die Studierenden fordern: einen Stundenlohn von 13,70 Euro, 30 Tage Urlaub und ausreichende Arbeitsmaterialien.

Die Hamburger Aktion am Mittwoch ist Teil der Kampagne „Hamburg – Stadt der prekären Wissenschaft“. Die Protestierenden wollen auch unbefristete Stellen für wissenschaftliche Mitarbeiter*innen durchsetzen. Ute Schmiedel von der Mittelbau Initiative sagt: „Die meisten wissenschaftlichen Mitarbeiter*innen arbeiten mit auf wenige Jahre befristeten Verträgen und sind dadurch kontinuierlich von Arbeitslosigkeit bedroht. Dabei leisten sie beispielsweise unbezahlte Überstunden, da viele lediglich für eine halbe Stelle bezahlt werden, aber Vollzeit arbeiten müssen.“ Das sei organisierte Selbstausbeutung und führe zu stressbedingten Erkrankungen.

Bei ihrer Kampagne werden die TVStud und die Mittelbau Initiative von vielen Seiten unterstützt: Die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW), die Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di, die Hamburger Asten und 14 Professor*innen zählt die Kampagne auf ihrer Website auf.

Wolfgang Menz, Professor für Arbeitssoziologie, sagt: „Ein verlässliches Beschäftigungsmodell von professioneller Wissenschaft unterhalb der Ebene der Professur fehlt völlig.“ In der Folge verlören die hiesigen Unis viele herausragende jüngere Wissenschaftler*innen an Unternehmen, außeruniversitäre Institute und an Unis im Ausland. „Denn wir können schlicht zu wenig Perspektiven bieten.“

Es geht nicht nur ums Geld

Mit dem heutigen Besuch der Wissenschaftsbehörde wolle man Druck ausüben, sagt Marvin Hopp von der TVStud. „Es ist absurd, dass sich ein rot-grüner Senat ‚Stadt der guten Arbeit‘ auf die Fahnen schreibt, und studentische Beschäftigte nicht in den Tarifvertrag aufnimmt“, sagt er.

Dabei geht es ihm und der Initiative nicht nur um höheren Lohn. Auch Wertschätzung ist den Studierenden wichtig. „Die Arbeit von Tutor*innen und Hilfskräften wird nicht ausreichend anerkannt. Viele denken, der Job diene zur Eigenqualifikation, weil man ja was dabei lernt“, erklärt Marvin Hopp.

Hopp ist 30 Jahre alt und arbeitet selbst als Tutor und SHK an der Universität Hamburg. Als Tutor bekommt er eine Pauschale rund 230 Euro im Monat. Pro Woche unterrichtet er dafür 90 Minuten, die er vor- und nachbereitet. „Ich habe mir mal meinen Stundenlohn ausgerechnet. Er liegt unter dem Mindestlohn.“ Hopps Arbeitsvertrag endete im Januar. Trotzdem beantwortet er noch jetzt die E-Mails und Fragen von Studierenden – alles unbezahlte Arbeit.

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