Schweizer Musiker Guz gestorben: Nicht aufhören

Der Schweizer Songwriter Oliver Maurmann, genannt Guz, ist an einem Herzleiden gestorben. Er wurde nur 52 Jahre alt. Ein Nachruf von einer Freundin.

Zwei Musiker, eine Musikerin

Die Zukunft 2008: Knarf Rellöm, Bernadette La Hengst und Olifr. M Guz (v.l.n.r.) Foto: Thomas Kunz

Ich will keinen Nachruf schreiben. Aber ich will auch nicht, dass du weg bist. So viele todessehnsüchtige Lieder hast du bereits komponiert, angefangen mit „Bettina, ich wünschte, ich wär tot“ bis zu „Das Ende ist nah“. Wenn ich jetzt wieder deine Lieder höre, weiß ich sofort, warum ich dich so mochte.

Du warst einfach ein einzigartiger Mensch und ein ganz besonderer Songschreiber. Deine Sehnsucht an den schwarzen Fluss gerichtet haute mich einfach um: „Die einen fahren auf der Autobahn zur Hölle, doch ich geh zu Fuß“. Und deine Songs über die Schweizer Stadt Schaffhausen, die eigentlich eine Illusion ist, oder über die „Geheime Weltregierung“ waren universell verstehbare Lieder über das Verlorensein.

Deine Stimme klang immer, als stündest du am Rand des Zusammenbruchs. Sie war punk-geschult, aber hatte nichts von Fußball-Gröl-Ästhetik. Höchstens schlugst du sie an, um einen Witz darüber zu machen. Die Stimme schien einfach so aus dir rauszukommen, weil du ein heiseres Inneres hattest.

Wir trafen uns Mitte der 90er bei einem Konzert deiner Band Die Aeronauten in Hamburg. Als ich zum ersten Mal deine Stimme hörte, dachte ich, wow, Oliver hat was zu erzählen. Und er klingt ganz anders als die Sänger der Hamburger Schule, nicht so aufgesetzt, sondern eher im Blues und im Garagerock zu Hause. Und außerdem, du kamst gar nicht aus Hamburg, sondern aus Schaffhausen, einer kleinen Grenzstadt an der schweizerisch-deutschen Grenze mit dem großen Rheinfall.

Die Autorin: Bernadette La Hengst, geboren 1967, spielte in der Hamburger Band Die Braut haut ins Auge (1990-2000). Seit 2004 ist lebt und arbeitet sie in Berlin, veröffentlicht Soloalben und macht Theaterprojekte.

Wenn ich dich besuchte oder mit einer meiner Bands in Schaffhausen spielte, konnte ich spüren, wie verloren du dich dort gefühlt haben musst, und gleichzeitig warst du so sicher, in deinem Kosmos, deinem Startrack Studio, in dem du unendlich viel Musik produziert hast. Du warst ein Maniac, rastlos, du konntest nicht aufhören, egal wie spät es war, wenn eine Aufnahme noch nicht fertig war, dann verbrachtest du die Nacht im Studio, bevor du mit einer guten Flasche Wein nach Hause gingst. Da ging es dann noch weiter bis zum nächsten Morgen, obskure Punkplatten wurden vorgespielt, über alles Mögliche diskutiert, immer unterlegt mit deinem trockenen Humor, der mich oft so zum Lachen brachte, dass ich Bauchschmerzen bekam.

Und dann gründeten wir irgendwann eine Band. Die Zukunft. Die Idee kam von Ingo, der mit seinem Label Ritchie Records in Freiburg seit Jahren unsere Alben auf Vinyl rausbrachte. Sein Wunsch war es, zu seinem 40. Geburtstag mit seinen drei Lieblingsmusikern, Knarf Rellöm, Guz und mir zusammen ein Konzert zu veranstalten. Aber nicht nacheinander, wir sollten miteinander spielen. Er buchte dann auch gleich drei Tage in einem Freiburger Studio, damit wir gemeinsam entwickelte Songs aufnehmen konnten. Aus einem Wochenende wurden dann viele weitere und wir nahmen ein ganzes Album für Ritchie Records auf, das Trikont auch auf CD veröffentlichte.

Eine Band aus drei Frontsäuen mit drei unterschiedlichen Egos, die es gewohnt waren, die Chefs zu sein. Wie sollte das funktionieren? Ich glaube, ohne „Olifr“ hätte es nicht geklappt, denn er wusste genau, wie man aus Dreck Gold macht. Und er wusste, wie man Humor, obskure Texte und Sehnsucht zusammenbringt. Wir hatten viel Spaß im Studio und auf der Bühne, wir konnten einander Platz lassen, jede/r konnte glänzen und gleichzeitig die anderen unterstützen.

Die Zukunft wurde zur Traumband voller Spielfreude und Improvisation, unsere langjährige Bühnenerfahrung von zusammengenommen 75 Jahren half dabei, und immer auch eine gute Flasche Wein.

Die einzige Regel war, dass die Songs nicht fertig sein durften, so dass die anderen immer noch was dazugeben konnten. Zum zweiten Studiotermin kam Oliver mit einem Song, den er unterwegs im Zug geschrieben hatte. Er war schon fertig, also ein Bruch der Regel. Aber es war so ein toller Song, dass wir eine Ausnahme machten. Er heißt „Drogen nehmen und rumfahren“. Sein Titel traf genau Olivers Sinn für Humor und Romantik. Wir nahmen ihn an einem Tag auf und hatten dem später auch nichts mehr hinzuzufügen. Dass dies Olivers (und auch ein bischen unserer) größter Hit werden würde, konnten wir nicht ahnen.

Mittlerweile hat der Videoclip fast eine Million Klicks und die Kommentare auf Youtube brechen nicht ab. Finanziell hat Olfr dieser Erfolg leider gar nichts gebracht. Er stand immer kurz vor dem Bankrott, immer am Rand, wurde immer heiserer, glaubte immer weniger, dass er mit der Musik noch einmal berühmt werden würde.

Seine Band Die Aeronauten pausierten oft, machten dann aber doch wieder weiter. „Too big too fail“ hieß eins der späteren Alben, das diesen Widerspruch zwischen Erfolg und Punk thematisierte. Mit seinen vielen ebenso fantastischen Soloalben als Guz und mit den Aufträgen als Theatermusiker tourte er weiterhin durch die Welt, rastlos und ohne auszuruhen.

Die einzigen Pausen, die er genoss, waren lange Spaziergänge und Wanderungen, etwa im Appenzell, wo die Aeronauten sich oft in einem Älpli in den Bergen trafen, um an neuen Songs zu arbeiten.

Der erste Herzinfarkt kam schon vor zehn Jahren. Danach hat er keine Zigarette mehr angerührt, und dennoch kam vor zwei Jahren der zweite und der dritte Infarkt. Seitdem wartete er auf ein neues Herz. Vielleicht war sein Herz einfach nur heiser? Wie jetzt bekannt wurde, hat es am Montag aufgehört zu schlagen.

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