Die Causa Hohenzollern im Bundestag: „Ausgeprägter Opportunismus“

War der Kronprinz Wilhelm von Preußen ein Steigbügelhalter der Nazis? Die Causa Hohenzollern im Kulturausschuss des Bundestags.

Ein Mann lacht in die Kamera, hinter ihm ragen spitze Türme in den Himmel.

Georg Friedrich Prinz von Preußen auf der Burg der Hohenzollern bei Hechingen (Baden-Würtemberg) Foto: Patrick Seeger/dpa

Benjamin Hasselhorn hatte am Mittwoch einen denkwürdigen Auftritt im Kulturausschuss des Bundestags in Berlin. Als Sachverständiger sollte der Historiker aus Würzburg Auskunft darüber geben, wie stark das frühere deutsche Kaiserhaus in Gestalt des Kronprinzen Wilhelm von Preußen in republikfeindliche Umtriebe verstrickt gewesen ist. Ob das Haus Hohenzollern während der Weimarer Republik und nach 1933 dem Aufstieg des Nationalsozialismus „erheblichen Vorschub“ leistete oder nicht.

Denn wenn dem so gewesen wären, hätten die heutigen Hohenzollern-Erben nach dem Ausgleichsleistungsgesetz von 1994 keinen Anspruch auf Restitution, für die nach 1945 getätigten Enteignungen im Osten Deutschlands.

Hierzu sind derzeit verschiedene Verfahren in der Schwebe. Das Offenkundige wollte auch Hasselhorn nicht abstreiten, was zahlreiche Medien darunter die taz in Wort und Bild berichteten.

Und so räumte er zunächst ein: Ja, der Kronprinz sei mit Hakenkreuzbinde aufgefallen, auch mit huldvollen Botschaften an Hitler. Und auch wie sein Vater, der Ex-Kaiser, mit antisemitischen Äußerungen. Aber, so Hasselhorn, sein Ziel sei lediglich die Wiedereinführung der Monarchie gewesen, nicht die Errichtung einer faschistischen Ordnung.

Hitler zu „zähmen“ als Zweck der Übung

Die tatsächliche Symbolkraft der Hohenzollern bei ihren Auftritten zugunsten der Nazis lasse sich auch nur schwer bemessen. Der Kronprinz glaubte vielmehr – wie andere „Konservative“ auch, sagte Hasselhorn – Hitler und die NSDAP durch das Einbinden an der Macht „zähmen“ zu können. Zudem hätte auch eine Partei wie die SPD ihren Anteil am Aufstieg der Nazis gehabt, meinte der Würzburger Historiker. Denn die Sozialdemokraten hätten Schleicher schließlich für gefährlicher als Hitler gehalten. Im Übrigen fehle es an Quellenforschung, die die Haltung der Hohenzollern und die des Kronprinzen in diesen Jahren eindeutig belege.

Doch ist die Quellenlage zum Kronprinzen wirklich so schlecht? Und hat die SPD etwa gleichen Anteil wie der Kronprinz am Aufstieg der NSDAP? Sehr fragwürdige Thesen.

Hingegen ist (neben so einigem anderen) etwa zweifelsfrei überliefert, dass der Kronprinz 1932 Hitler nach Schloss Cecilienhof lud, um mit den Nazis ein Bündnis zu schmieden. Nach dem Motto „Du Kanzler, ich Präsident“, so sollte es aufgehen. Aber Ex-Kaiser Wilhelm verbot seinem Sohn, dem Kronprinzen, aus dem Exil ein solches Bündnis einzugehen. Und zwar aus purem Ekel vor der demokratischen Republik.

Der Ex-Kaiser an seinen Sohn: „Ich enterbe dich“

Der Ex-Kaiser schrieb an seinen Sohn: „Wenn Du diesen Posten übernimmst, so musst Du den Eid auf die Republik schwören. Tust Du das und hältst ihn, so bist Du für mich erledigt. Ich enterbe Dich und schließe Dich aus meinem Hause aus. Schwörst Du nur, um den Eid bei Gelegenheit zu brechen, so wirst Du meineidig, bist kein Gentleman mehr und für mich auch erledigt. Hohenzollern brechen ihren Eid nicht. Es ist ein Ding der Unmöglichkeit, dass die Hohenzollern über den republikanischen, roten Ebertschen Präsidentenstuhl wieder zur Macht gelangen.“

Zu eindeutig ist die Quellenlage in Hinblick auf die Gesinnung des Kronprinzen und anderer maßgeblicher Protagonisten des Hauses Hohenzollern aus jener Zeit.

Nach 1933 und der Beseitigung der Republik wäre es wohl gegangen („Du Kanzler, ich Präsident“). Nur hielten die Nazis ihre monarchistischen Helfershelfer nun lieber auf Distanz. Warum sollten sie ohne Not die Macht über die „Minderwertigen“ mit ihnen teilen?

Drei weitere als Historiker vor den Ausschuss im Bundestag geladenen Sachverständige – Peter Brandt (Hagen), Stefanie Middendorf (Potsdam), Stephan Malinowski (Edinburgh) – widersprachen denn auch Hasselhorns Geschichtsauffassung. Zu eindeutig ist die Quellenlage in Hinblick auf die Gesinnung des Kronprinzen und anderer maßgeblicher Protagonisten des Hauses Hohenzollern aus jener Zeit.

Der wunde Punkt der aktuellen Debatte dürfte nach Auffassung der Partei die Linke vielleicht auch in der Vergangenheit der Bundesrepublik zu suchen sein. Der Abgeordnete Jan Korte deutete dies an. Im Westen wurden die an den Verbrechen nachweislich beteiligten Familienclans und Dynastien nach 1945 nicht oder nicht immer konsequent genug bestraft, deren Vermögen auch kaum eingezogen.

Von Ressentiments geprägt

Die Hohenzollern können heute im Bundestag auf erstaunlich entschiedene Befürworterinnen zählen. Am Mittwoch besonders auf die Wortführerin der CDU im Kulturausschuss, Charlotte Motschmann, geborene Baronesse von Düsterlohe.

Sie gab ein durch Ressentiments und Unkenntnis geprägtes Geschichtsbild ab, welches man in der Partei Angela Merkels im Jahre 2020 kaum mehr vermutet hätte. Motschmann hatte sich bereits Mitte Januar über Kritik an den Hohenzollern-Forderungen empört. „Jan Böhmermann, Der Spiegel oder die taz – sie alle diskreditieren den Adel“, sagte Motschmann. Kritik am Weißwaschen von früher braunen Adligen gilt hier noch als Majestätsbeleidigung.

Die von ihr als „populistisch“ bezeichneten Medien hatten den Kronprinzen mit Hakenkreuzbinde und im Nazirock gezeigt. Historische Aufnahmen, die es nun mal gibt, auch wenn sie nicht immer leicht zugänglich sind. Motschmann machte im Ausschuss erst gar nicht den Versuch, sich mit den lästigen Bild- und Textquellen auseinanderzusetzen, die den Kronprinz und andere aus dem Hause Hohenzollern historisch belasten.

Kurz angebunden unterstellte sie Sachverständigen wie Mali­nowski, Brandt und Middendorf schlampige Recherchen. Nach Motschmann hat wohl der Großteil der Historikerzunft, seine Hausaufgaben nicht gemacht. Mit Ausnahme von Hasselhorn. Und natürlich Wolfram Pyta.

Relativierung der Verantwortung

Historiker Pyta hat im Auftrag der Hohenzollern ein Gutachten erstellt, welches den historischen Kronprinzen entlasten soll. Pyta leugnet nicht, was nicht zu leugnen ist. Doch er relativiert die Bedeutung des ehemaligen deutschen Kaiserhauses, als es half, die Eliten auf die Nazis einzuschwören.

In Pytas von Böhmermann geleaktem Gutachten hört sich das dann so an: „Es ist auch nicht recht verständlich, wieso der Kronprinz hätte glauben sollen, dass seine Mitgliedschaft in der Motor-SA bzw. im NSKK, bzw. sein öffentliches Auftreten mit Hakenkreuzbinde am Arm oder in Motor-SA-Uniform (oder die Berichterstattung über seine Mitgliedschaft in der Presse bzw. in der Presse verbreitete Fotos, die ihn bei Auftritten in der genannten Kleidung zeigten) dem NS-Staat in irgendeiner Weise einen nennenswerten Nutzen einbringen würde.“ (Seite 124).

So geht es seitenlang dahin. Die Bedeutung des Kronprinzen schrumpft letztlich auf die eines zufälligen SA-Mannes. Seine Führerbegeisterung letztlich unrelevante Fanpost, Pyta: „In toto bleibt somit festzustellen, dass die in den früheren Gutachten zusammengestellten Briefe des Kronprinzen – wenn man sie auch für moralisch bedenklich halten mag und in ihnen mithin Zeugnisse der persönlichen Urteilslosigkeit ihres Verfassers und/oder eines ausgeprägten Opportunismus, erblicken kann – weder auf die Masse der Bevölkerung (die niemals etwas von ihrer Existenz erfuhr), noch auf die Einzelperson Hitler irgendeinen Einfluss ausübten und folglich keine Wirkung hervorriefen, die in einer Begünstigung des Regimes und somit in einer Vorschubleistung desselben resultierten. Der entsprechende, in früheren Gutachten formulierte, Vorwurf, dass der Kronprinz sich durch seine diversen Briefe und Telegramme an Hitler und andere NS-Größen einer solchen Vorschubleistung des NS Systems schuldig gemacht habe, entbehrt somit einer realen Grundlage …“ (Seiten 135/36).

Die Hohenzollern, nach 1918 gut vernetzt, im In- und Ausland zu Nazi-Propaganda-Zwecken zugegen, im Rückblick wollen sie auf einmal völlige Randfiguren gewesen sein.

Der Abgeordnete Helge Lindh (SPD) macht denn in der Ausschusssitzung deutlich, dass „die SPD für freiwillige Entschädigungszahlungen nicht zur Verfügung“ stehe. Und Erhard Grundl von den Grünen fasste an die CDU gerichtet zusammen: „Frau Motsch­mann, Sie argumentieren hier wie die Klimaleugner“.

Wird nun Monika Grütters (CDU), die Beauftragte für Kultur und Medien der Bundesregierung, mit den Hohenzollern weiter verhandeln? Werden weitere Gutachten in Auftrag gegeben? Und würde Frau Motschmann diese überhaupt lesen? Am Ende der Auseinandersetzung werden im Zweifelsfall ­Gerichte entscheiden.

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