Presse in Aserbaidschan: Kurztrip mit Taschengeld

Eine NGO lädt Journalisten nach Aserbaidschan ein. Partnerorganisationen und Reisekonditionen deuten auf politische Interessen hin.

Blick aus dem Flieger auf die aserbaidschanische Hauptstadt Baku

Blick aus dem Flieger auf die aserbaidschanische Hauptstadt Baku Foto: Florian Gaertner

Ein mehrtägiger Kurztrip im Februar nach Aserbaidschan – alles inklusive, zum Nulltarif und obendrauf noch ein kleines Taschengeld. Welche(r) Journalist(in) würde da angesichts zusehends schrumpfender Mittel für Auslandsberichterstattung nicht ins Grübeln kommen? Eine derart verheißungsvolle wie ungewöhnliche Mail ging Ende vergangener Woche bei der taz ein.

Unter der Betreffzeile „Seminarreise nach Aserbaidschan“ werden JournalistInnen zu einer Bildungsreise in die Südkaukasusrepublik eingeladen – aus Anlass der bevorstehenden Präsidentschaftswahl, wie es heißt. Dabei steht am 9. Februar nicht der autoritäre Dauerherrscher İlham Alijew zur Abstimmung, sondern das Parlament. Wesentlich interessanter für die Medienschaffenden sind die erfreulichen Konditionen der Horizonterweiterung.

So werden sämtliche Kosten für Flug, Unterbringung, Transfer und Verpflegung übernommen. Dazu gibt es 2.000 Euro pro Zeitung, die eine(n) Journalisten/in entsendet – für eigene Recherchen und zur freien Verfügung. Irgendwelche Gegenleistungen? Von wegen. Berichterstattung ist nicht verpflichtend. „Die Journalisten sind keine Wahlbeobachter“, heißt es in der Mail – ein wertvoller Hinweis, denn für diese Tätigkeit sind Institutionen wie die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) verantwortlich.

Als Sponsor der Kaukasus-Unternehmung firmiert die deutsch-russische „Internationale Nichtregierungsorganisation Centerpolit“ (Zentrum für politische Analyse und Informationssicherheit) mit Hauptsitz in Russland. Die dreisprachige Webseite ist ausbaufähig – die deutsche Version schlichtweg leer. Partnerorganisationen sind unter anderem der Fonds Gorschakowa sowie die Gesellschaftliche Kammer der Russischen Föderation, deren Logos auf der Seite zu sehen sind.

Staatsnähe der Nichtregierungsorganisation

Der Fonds Gorschakowa wurde 2010 auf Anordnung des damaligen Präsidenten Dmitri Medwedjew gegründet und soll dazu beitragen, „ein für Russland günstiges gesellschaftliches, politisches und geschäftliches Klima im Ausland zu schaffen“. Die Kammer soll den Interessen der BürgerInnen Gehör verschaffen, wobei ihre Mitglieder vom Präsidenten ernannt werden. Diese Staatsnähe ist für die „Nichtregierungsorganisation Centerpolit“ offensichtlich kein Problem.

Der Leiter von Centerpolit heißt Swatoslaw Andrianow, hat in Russland studiert und in Deutschland 2011 ein Praktikum im Deutschen Bundestag absolviert. Als Vorsitzender des Berliner Komitees für eine Strategische Partnerschaft in Eurasien sieht er sich als Vermittler zwischen dem Westen und den ehemaligen Sowjetrepubliken.

Die Rubrik „Ereignisse“ bestreitet er fast vollständig allein, wobei er sich offensichtlich besonders gerne vor dem Auswärtigen Amt (AA) ablichten lässt. Das erklärt vielleicht auch, dass in der Einladungsmail an die JournalistInnen angemerkt wird, Centerpolit arbeitete unter anderem mit dem Kanzleramt, der Deutschen Gesellschaft für Osteuropakunde (DGO) sowie dem AA zusammen.

Auf taz-Nachfrage beim AA lässt dieses wissen: „Eine formalisierte Zusammenarbeit zwischen Centerpolit und dem Auswärtigen Amt besteht nicht.“ Ähnliches gibt die DGO zu Protokoll. Vor zwei Wochen habe es lediglich ein Treffen mit einer russischen Schülergruppe in Berlin gegeben, die Swatoslaw Andrianow begleitet habe. Das Reiseangebot an JournalistInnen erklärt ein Mitarbeiter von Centerpolit mit einem persönlichen Interesse Andrianows an der Kaukasusrepublik. Dieser habe festgestellt, dass die Informationen über dieses Land in den Medien doch sehr begrenzt seien.

Großzügigkeit und Engagement

Seine Großzügigkeit, die Andrianow in diesem Zusammenhang an den Tag legt, dürfte er mit Aserbaidschans Präsident İlham Alijew teilen. Der war seinerzeit auch nicht kleinlich, als es darum ging, PolitikerInnen in ihrer Funktion als WahlbeobachterInnen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates mit Geldgeschenken zu positiven Berichten zu ermutigen. Eine dankbare Dienstleisterin war bekanntlich die CDU-Abgeordnete Karin Strenz, die im Zuge des „Kaviar-Gates“ mit einer Geldstrafe belegt wurde. Aber derlei Unterstützung hat Centerpolit nicht nötig.

Auf die Frage, wie die Aserbaidschan-Reise denn finanziert werde, ist von genanntem Centerpolit-Mitarbeiter folgendes zu erfahren: Für die Schülerreise habe jede(r) TeilnehmerIn 2.500 Euro bezahlt und da sei etwas übrig geblieben. Im April seien russische „young professionals“ zu einem Seminar nach Berlin eingeladen. Kostenpunkt: 5.000 Euro pro Woche. Man stelle sich vor: Gutbetuchte RussInnen finanzieren ausländischen JournalistInnen Recherchereisen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.